Wieso dürfen Menschen im Rollstuhl kein schönes Auto fahren?

Menschen im Rollstuhl dürfen kein schönes Auto fahren. Ein ziemlich wüstes Erlebnis letzte Woche, aber auch genügend Kommentare auf der Facebook-Seite des Rollstuhlblogs zeigen: Das scheint nicht nur die einhellige Meinung von Menschen ohne Gehbehinderung zu sein, sondern auch von vielen anderen Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrern. Doch wieso ist das so?

«Sind Sie behindert?», bellt mich ein Möchtegern-Polizist auf dem Supermarkt-Parkplatz in Deutschland an, als ich noch nicht mal aus dem Auto ausgestiegen bin. «Nein, ICH bin nicht behindert», erwidere ich. Und obwohl ich damit beginne, den Rollstuhl meiner Frau (sie sitzt auf dem Beifahrersitz) aus dem Kofferraum auszuladen und er ihn sieht, schnauzt er mich weiter an: «Dieser Parkplatz ist nur für Behinderte.» Ich sage ihm, er solle doch mal schauen, denn auf dem Armaturenbrett liegt eine Behindertenparkkarte. Aber ich fühle mich angegriffen, reagiere falsch und mache ihn ziemlich unfreundlich an.

Als ich dann meiner Frau beim Transferieren in den Rollstuhl helfe (SIE hat eine Behinderung), flüchtet der Möchtegern-Polizist. Schade. Sie hätte ihm gerne noch ihre Meinung gesagt. Denn wir arbeiten beide hart, um Geld zu verdienen und uns schöne Sachen leisten zu können. Zu diesen gehört auch der weisse SUV, der auf Fotos von falsch parkierten Autos im Rollstuhlblog schon öfters zu sehen war, und der von vielen Leserinnen und Lesern jeweils allzu vorschnell fälschlicherweise als Übeltäter identifiziert wird.

Zugegeben: Auch ich schaue oft skeptisch hin, wenn ich ein teureres Auto auf einem Behindertenparkplatz sehe. Und ja, ab und zu fehlt in einem solchen die «Parkkarte für behinderte Personen», die zum Benutzen dieses Parkfelds berechtigt. Aber mindestens genauso oft trifft dies auf alle anderen Fahrzeuge zu, deren Fahrerinnen und Fahrer den Behindertenparkplatz  missbrauchen, um zum Kiosk zu gehen, mal schnell einzukaufen, auf jemanden zu warten… Ihr kennt die Ausreden.

Doch wieso scheinen viele Leute mit und ohne Behinderung der Meinung zu sein, dass Menschen im Rollstuhl kein schönes Auto fahren dürfen?

Liegt es am fehlenden Wissen?

Liegt es vielleicht am Halbwissen der Bevölkerung? Viele Leute glauben, dass jede Person im Rollstuhl nicht arbeitet, sondern eine IV-Rente erhält. Doch das ist natürlich Quatsch. Ob jemand eine IV-Rente erhält oder nicht, hängt nicht von einer Gehbehinderung ab, sondern vom Einkommen: Eine IV-Rente wird zugesprochen, wenn jemand aufgrund einer gesundheitlichen Beeinträchtigung deutlich weniger verdienen kann als zuvor. Je nach Differenz (dem sogenannten Invaliditätsgrad) erhält die betroffene Person gar keine, eine Viertels-, halbe, Dreiviertels- oder eine ganze IV-Rente. Ihre Höhe hängt vom davor erzielten Einkommen ab. Sie beträgt minimal 297 Franken pro Monat (minimale Viertelsrente) und maximal 2’370 Franken pro Monat (maximale ganze Rente – genauso hoch wie die AHV-Rente). Die maximale Rente erhält aber nur, wer vor dem Eintreten des Gesundheitsschadens durchschnittlich mindestens 85’320 Franken pro Jahr (oder 6’556 Franken pro Monat) verdient hat. Die IV-Rente beträgt in diesem Fall also ungefähr 1/3 des bisherigen Einkommens, ist also wesentlich häufiger tiefer. Davon kann man sich kaum irgendein Auto leisten.

Aber nicht alle Menschen im Rollstuhl können nicht arbeiten. Sie erledigen viele Jobs genauso gut wie andere Menschen, die den ganzen Tag auf dem Bürostuhl sitzen. Und erhalten für ihre Arbeit hoffentlich denselben Lohn. Auch andere Jobs sind möglich, wenn die Arbeitgeber den Arbeitsplatz entsprechend anpassen, oder natürlich selbstständige Tätigkeiten. Davon kann man sich dann hoffentlich auch mal etwas leisten.

Vielleicht denken die Leute auch, dass nur auf einem Behindertenparkplatz parkieren darf, wer als Fahrerin oder Fahrer eine Gehbehinderung hat. Doch auch das stimmt natürlich nicht. Auch wer einen Menschen mit Behinderung als Beifahrer transportiert und begleitet – den Vater, die Mutter, den Partner oder die Partnerin, ein Sohn oder eine Tochter, Geschwister, Verwandte, Freunde –, darf hier parkieren. Es spielt keine Rolle, auf wen die Behindertenparkkarte ausgestellt ist, solange diese Person dabei ist und hier auch aussteigt. Selbstverständlich ist es auch erlaubt, als jemand ohne Gehbehinderung auf einem Behindertenparkplatz zu parkieren, um dort einen Mensch mit Behinderung abzuholen, unter Verwendung von dessen Behindertenparkkarte.

Und es braucht auch keinen Rollstuhl-Aufkleber hinten auf dem Auto. Im Gegenteil: Jeder und jede kann im Baumarkt einen solchen Kleber kaufen. Er berechtigt zu gar nichts, sondern hilft anderen Automobilisten höchstens, einen zusätzlichen Platzbedarf hinter dem Auto zu erkennen.

Trotz dem Rollstuhl-Symbol auf dem Parkfeld muss jemand auch nicht zwingend im Rollstuhl sitzen, um eine Behindertenparkkarte zu erhalten. Die Parkkarte erhält, wem dauernd oder während mindestens sechs Monaten eine Fortbewegung zu Fuss nur bis ca. 200 m, bzw. mit besonderen Hilfsmitteln oder mit Hilfe einer Begleitperson möglich ist. Die Gehbehinderung kann ihre Ursache im Bewegungsapparat der Beine (direkte Gehbehinderung) haben, oder auch im Atem- und Kreislaufsystem (indirekte Gehbehinderung). Es ist also gut möglich, dass jemand ohne Probleme aus dem Auto aussteigen und ein paar Schritte gehen kann, zum Beispiel um zum Kofferraum oder zu einem sehr nahen Ziel zu gelangen, aber trotzdem eine Parkkarte für behinderte Personen besitzt.

Ist es Neid?

Fühlen sich Menschen ohne Gehbehinderung vielleicht als Versager, wenn sich sogar eine Person im Rollstuhl ein schönes Auto kaufen kann, das sie sich nicht leisten können?

Dabei scheint niemand an den umgekehrten Fall zu denken: Auch ein Ferrari- oder Porsche-Besitzer oder jemand mit einem anderen schönen Auto kann einen Unfall haben, erkranken, altershalber oder aus einem anderen Grund Mühe beim Gehen haben. Erfüllt diese Person die Voraussetzungen für eine Behindertenparkkarte, darf sie selbstverständlich auch mit ihrem Ferrari, Porsche etc. – den sie ja immer noch besitzt – auf dem Behindertenparkplatz parkieren.

Das Auto kann natürlich auch geliehen, gemietet, geleast, geschenkt, geerbt oder sonst etwas sein. Der genaue Hintergrund und die Besitzverhältnisse des Autos können – und müssen! – anderen Personen egal sein. Relevant ist einzig: Liegt auf dem Armaturenbrett eine gültige Behindertenparkkarte oder nicht.

Sind die Grünen schuld?

Nicht erst seit den letzten Wahlen versuchen die Grünen, Autofahrern ein schlechtes Gewissen zu machen. Und SUV-Fahrerinnen und -Fahrer sind die noch grösseren Teufel. Ein Mensch mit einer Gehbehinderung kann jedoch in den wohl meisten Fällen schlecht aufs Velo umsteigen (auch wenn es Veloräder für den Rollstuhl gibt). Und obwohl wir uns bemühen, möglichst umweltbewusst zu leben: Solange der öffentliche Verkehr in der Schweiz weiterhin weit davon entfernt ist, hindernisfrei zu sein, bleiben wir beim Auto.

Wir hätten wirklich gerne ein Elektro-Auto. Aber die grösseren Modelle sind nun wirklich unerschwinglich teuer (und auch schwerer als ein SUV!) und die kleineren sind einfach zu klein. Auch unser früheres Auto war kleiner, und genau dort lag das Problem: Wir mussten einen der beiden Rücksitze entfernen, damit wir den Rollstuhl durch den Kofferraum hindurch verstauen konnten. So blieb weder auf den Rücksitzen noch im Kofferraum wirklich Platz, um Gepäck oder Freunde mitzunehmen. Ein Rollstuhl ist auch wirklich ziemlich gross und hat lange nicht in jedem Kofferraum Platz, ohne ihn auseinanderzunehmen. Sogar in unserem SUV klappt das nur dank dem Staufach im Kofferraum-Boden. Im SUV fällt übrigens auch das Transferieren aus und in den Rollstuhl viel leichter, weil der Sitz eine bessere Höhe hat.

Wie bei allen Menschen muss das Auto einen Zweck erfüllen. Wir benötigen ein verlässliches Auto, um zwei Mal pro Jahr in die Ferien nach England fahren zu können, wobei wir pro Weg 1’000 Kilometer zurücklegen. Denn selbstverständlich dürfen auch Menschen im Rollstuhl Ferien machen. Und ja: Es ist beruhigend zu wissen, dass wir notfalls mit dem SUV querfeldein oder durch 50 cm tiefes Wasser fahren können, um aus einer Gefahrensituation zu entkommen. Denn Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer können bekanntlich nicht wie andere zu Fuss über Stock und Stein vor einem Erdrutsch, Hochwasser o.ä. flüchten.

Die vorgefertigte Meinung ändern

Ziel dieses Beitrags ist es, den scheinbar bestehenden Stereotyp zu ändern. Auch Menschen im Rollstuhl sind primär das: Menschen. Menschen mit einer mehr oder weniger guten Bildung, mit einem mehr oder weniger guten Job (ein Mensch im Rollstuhl ist ja sogar Nationalrat!), die sich mehr oder weniger schöne Dinge leisten können, wie alle anderen auch. Ihnen etwas davon absprechen zu wollen, nur weil sie auf einen Rollstuhl angewiesen sind, ist sehr engstirnig.

Habt Ihr als Fahrerin/Fahrer oder Beifahrerin/Beifahrer eines schönen Autos ähnliche Erfahrungen gemacht? Schreibt es mir doch ebenfalls im Formularfeld oder als Kommentar im Rollstuhlblog.ch.

1 Kommentar zu “Wieso dürfen Menschen im Rollstuhl kein schönes Auto fahren?”

  1. ich bin früher öfters privatautos gefahren mit behinderten beifahrerinen oder beifahrer probleme gabs desshalb nie
    die autos waren damals von klein bis riesig auch da es noch keine
    auto umbauten damit behinderte selbst fahren konnten auch gabs weniger behinderten parkplätze mein einprägenstes erlebnis war in soloturn!
    damals hatte mit drei oder vier personen im rs eine ausstellung besucht und das gar mit dem WBZ bus welcher angeschrieben war eine park und transportbewilligung hatte und der lift zum einladen hinten im auto sichtbar war !die polizei wusste nichts besseres als mir einen bussenzettel untern scheibenwischer zu stecken konnte den zwar ohne zahlen retour geben und heimfahren musste aber rechtes stück laufen bis zum polizeiposten welcher im nachtfahrverbot lag und begründung der polizei warum der zettel war zum schreien :-(das auto sei behindernd gestanden es wäre kein LKW durchgekommen!! wo gar LKW fahrverbot durch die strasse war und unser bus kein mm grösser als das parkfeld war aber auch nicht als bus oder lkw galt sonst hätte ich ihn mit meinem pkw ausweis nicht fahren dürfen ! inzwischen bin ich ohne auto und hab keinen kontackt mehr ins WBZ und hab selbst oft mühe bis zur trämli haltestelle zu kommen oder muss schauen das mich wer abholt

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