Ladestationen: Eine Welle der Unterstützung

Nach verschiedenen E-Mails und 13 Anfragen an die Baudirektionen der Kantone, die in ihrem Baurecht zum hindernisfreien Bauen verpflichten, erreichen mich zahlreiche Antworten und Anrufe. Es ist eine wahre Welle der Unterstützung. Neben Regie­rungs­räten und Nationalräten setzen sich auch mehrere Grossratsmitglieder im Kanton Bern dafür ein, hindernisfreien Lade­stationen für Elektrofahrzeuge zum Durchbruch zu verhelfen. Sie haben ihre Motion in der Frühlingssession 2024 eingereicht.

Um was geht es überhaupt? Überall entstehen Ladestationen für Elektrofahrzeuge, die für Menschen im Rollstuhl nicht nutzbar sind.

Acht Mitglieder des Grossen Rats des Kantons Bern haben am 13. März 2024 eine Motion eingereicht, mit der sie den Regierungsrat wie folgt beauftragen:

«Die rechtlichen Grundlagen sind so anzupassen, dass dort, wo Ladestationen für Elektroautos öffentlich zugänglich sind, genügend Möglichkeiten zur Mitbenutzung der Ladestationen durch Menschen mit Mobilitätsbehinderungen bestehen.»

Wortlaut der im Kanton Bern eingereichten Motion

Den Namen ist eine erfreundliche Zusammenarbeit von links bis rechts zu entnehmen. Die Grossrätin Simone Leuenberger, die selbst auf einen Rollstuhl angewiesen ist, hat sich enorm für unser Anliegen eingesetzt und sieben Mitunterzeichnerinnen und Mitunterzeichner aus den sieben grössten politischen Parteien der Schweiz gefunden. Herzlichen Dank allen Beteiligten. Der Vorstoss wurde als Motion 063-2024 entgegengenommen und hat die Geschäftsnummer 2024.RRGR.85 erhalten.

Die Motion ist das verpflichtendste parlamentarische Instrument. Mit einer Motion erhält der Regierungsrat den Auftrag, für den Grossen Rat in einer bestimmten Angelegenheit einen Erlass (z.B. ein Gesetz) oder einen Beschluss auszuarbeiten, eine Massnahme zu ergreifen oder ihm einen Bericht zu unterbreiten. Der Regierungsrat muss solche Aufträge innert sechs Monaten beantworten und für eine Session des Grossen Rates traktandieren. Werden sie in der Folge vom Grossen Rat angenommen, müssen sie innert zwei Jahren erfüllt werden. In Bezug auf die hindernisfreie Nutzung verweist die Motion auf Merkblatt 150 der Fachstelle Hindernisfreie Architektur, das Empfehlungen für rollstuhlgerechte Ladeplätze enthält.

Zusätzlich haben auch die Nationalräte Philipp Kutter und Islam Alijaj zugesagt, sich auf Bundesebene für hindernisfreie Ladestationen einzusetzen.

Keine böse Absicht

Aus bisher zehn Kantonen sind Antworten der Baudirektionen eingetroffen. Alle verweisen darauf, dass die Baubewilligungen durch die Gemeinden geprüft und erteilt werden, was mir bewusst war. Als berufstätige Privatperson fehlt mir aber die Kapazität, über 2’000 Gemeinden in der ganzen Schweiz kontaktieren.

Während einige wenige Baudirektionen der Meinung sind, dass sich die Gemeinden beim Erteilen von Baubewilligungen sicher an die geltenden Vorschriften halten, weil sie vom Gesetz dazu verpflichtet werden, geben viele zu, dass das Thema hindernisfreie Ladestationen bei ihnen bisher noch gar nicht oder zu wenig bekannt war. Dass das keine böse Absicht ist, wie mir auch der Berner Regierungsrat Christoph Neuhaus telefonisch versichert hat, ist nachvollziehbar. Es hatte bisher einfach niemand daran gedacht, dass Ladestationen – als sowieso neues Thema – auch für Menschen mit Behinderungen benützbar sein müssen. Und schon gar nicht, wenn es einfach darum geht, bestehende (halt für Rollstuhlfahrende zu schmale) Parkplätze mit einer Ladestation auszustatten, was in einem sehr grossen Teil der Fälle erfolgt. Blöde nur, dass gerade diese Fälle von den Kantonen oft von einer Baubewilligungspflicht ausgenommen wurden und deshalb keine Behörde die Hindernisfreiheit kontrolliert oder durchsetzt.

Viele Baudirektionen haben geantwortet, aufgrund meiner Kontaktaufnahme Merkblätter oder Hinweise für die Gemeinden in ihrem Kanton auszuarbeiten oder sie per Newsletter oder auf anderem Weg für hindernisfreie Ladestationen zu sensibilisieren. Besonders positiv sind dabei die Innerschweizer Kantone und insbesondere der Kanton Uri aufgefallen. Der dortige Leiter Baukoordination legt Wert auf barrierefreies Bauen und ihre jahrelange Zusammenarbeit mit Procap. Er stimmt zu, dass ich bei der fehlenden Barrierefreiheit von Ladestationen womöglich auf ein Problem gestossen bin, das bisher schweizweit nicht genug beachtet wurde. Er wird mit der Procap Uri ein Merkblatt zuhanden der Gemeindebehörden erstellen und hat veranlasst, dass alle Gesuche für Ladestationen ab sofort von Procap in Bezug auf ihrer hindernisfreie Nutzbarkeit geprüft werden.

«Ihre Anfrage ist sehr interessant und weist womöglich auf ein Problem hin, welches evtl. bislang (schweizweit) nicht genug beachtet wurde.»

Paul Walker
Leiter Baukoordination Uri

Dank dem Hinweis von Christoph Neuhaus bin ich auch an die Bau-, Planungs- und Umweltdirektorenkonferenz BPUK gelangt, eine interkantonale Organisation, die Behörden und Fachleute aus allen Kantonen vereint. Ihr Präsident, der Aargauer Regierungsrat Stephan Attiger, hat gleich die Ergänzung ihres Leitfadens in die Wege geleitet, auf den sich viele Baubewilligungsbehörden stützen. Die BPUK wird ihre verschiedenen Fachgremien informieren, zuerst die Kantonsingenieure an ihrer baldigen Hauptversammlung. Sie werden das Anliegen weiter auch bei der Roadmap Elektromobilität deponieren, die auch bei privaten Anbietern breit beachtet wird. Zudem hat er mir empfohlen, zusätzlich auch den Städteverband und den Gemeindeverband zu kontaktieren. Beide Verbände sollen die Information über ihre Publikationsorgane verbreiten. Die Generalsekretärin der BPUK hat zusätzlich noch mit mir telefoniert. Ich soll mich unbedingt melden, falls der Städte- und Gemeindeverband untätig bleiben sollten. In diesem Fall würde sie sich darum kümmern, dass etwas geschieht.

Meine Anfragen an diese beiden Verbände sind noch offen. Christoph Neuhaus hat mir geraten, zusätzlich noch den Verband bernischer Gemeinden und die Bernische Systematische Information Gemeinden BSIG zu kontaktieren, was ich noch tun werde.

Medien nicht interessiert

Um dem Thema mehr Öffentlichkeit zu verleihen, hatte ich verschiedene Medien kontaktiert und eine Medienmitteilung verschickt. Doch von Bund, Berner Zeitung, BärnerBär, TeleBärn und Beobachter hat niemand Interesse gezeigt. Schade.

Einzig die Kassensturz-Redaktion hat geantwortet und einen Beitrag in Aussicht gestellt. Aber nur, wenn ich eine Rollstuhl­fahrerin oder einen Rollstuhlfahrer mit Elektroauto für einen Fernsehbeitrag finde. Da meine Frau aufgrund ihrer Behinderung nicht mehr selbst Auto fahren kann und auch die Ladestation nicht bedienen könnte, sind wir dafür nicht geeignet.

Wie weiter?

Eine Anfrage an Bundesrat Albert Rösti als Vorsteher des Er soll den Stein ins Rollen bringen, um das Bundesamt für Strassen ASTRA doch noch zum Tätigwerden zu verpflichten und gesetzliche Rahmenbedingungen für hindernisfreie Ladestationen auf Bundesebene zu schaffen.

Ebenso sind Anfragen an das Bundesamt für Justiz und einen Baurechts-Professor der Universität Bern offen. Dabei geht es darum, was sich bei bereits erstellten Ladestationen machen lässt, die bewilligt oder bewilligungsfrei erstellt wurden, obwohl sie gegen die Pflicht zur hindernisfreien Bauweise verstossen. Und natürlich, wer für die Kosten einer allfälligen Anpassung aufkommt, die deswegen entstehen, weil den Baubewilligungsbehörden die Pflicht nicht bewusst war. Aber ich habe auch gefragt, ob das Behindertengleichstellungsgesetz trotzdem gilt, auch wenn die Kantonsbehörden das Erstellen von Ladestationen von der Bewilligungspflicht ausgenommen haben. Denn nach dem Wortlaut von Art. 3 Buchstabe a BehiG kommt das Gesetz nur zur Anwendung, wenn für den Bau oder die Erneuerung einer öffentlich zugänglichen Baute oder Anlage eine Bewilligung erteilt wird. Eine Gesetzesumgehung dadurch, dass auf eine Bewilligung verzichtet wird, dürfte meiner Meinung nach nicht möglich sein. Ich bin auf die Fachmeinung gespannt.

Ende März werde ich das Thema an der Mitgliederversammlung der Behindertenkonferenz Stadt und Region Bern BRB vorstellen. Dort leite ich seit mehreren Jahren die Arbeitsgruppe «Parkplätze für Menschen mit Behinderungen». Die BRB ist ein Zusammenschluss verschiedener Behindertenorganisationen. Von meiner Präsentation erhoffe ich mir, dass die Regionalgruppen das Thema in ihre Dachorganisation und von dort in die anderen Kantone tragen.

Ich bin optimistisch, dass all diese Bemühungen helfen, das Wissen um die Pflicht zur hindernisfreien Bauweise von öffentlichen Ladestationen zu verbreiten. Ich freue mich über die vielen offenen Ohren, auf die ich gestossen bin, und über die grosse Welle der Unterstützung. Vielen Dank.

1 Kommentar zu “Ladestationen: Eine Welle der Unterstützung”

  1. Wow, welch grosse Arbeit! Vielen herzlichen Dank. Wir bleiben dran.

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