Ladestationen: Die Behörden schauen weg

Die Behörden schauen weg und schieben die Verantwortung anderen zu. Das ist leider nicht neu. Nicht wegschauen dürften aus Sicht des Rollstuhlblog.ch zwei Institutionen, die wir angeschrieben haben.

Bundesamt für Strassen ASTRA

Frage Rollstuhlblog.ch: Wieso hat das ASTRA zugelassen, dass viele Ladestationen nicht barrierefrei erstellt wurden und von Menschen im Rollstuhl nicht oder nur erschwert benutzt werden können?

Antwort Jürg Röthlisberger, Direktor des ASTRA: «Die Schnellladestationen auf Raststätten (mit Restaurant) liegen in der Zuständigkeit der Kantone, jene auf den Rastplätzen (ohne Restaurant) gehören dem Bund. Das Bundesamt für Strassen ASTRA hat die Realisierung der Schellladestationen auf den Rastplätzen an externe Dienstleister vergeben. Bei deren Realisierung empfiehlt das ASTRA, alle vier Ladeplätze pro Rastplatz hindernisfrei zu gestalten, wenn es die Platzverhältnisse erlauben. Es handelt sich hierbei um eine Empfehlung und nicht um eine Weisung. Der abschliessende Entscheid, ob eine einzelne Schnellladestation den Anforderungen der Behindertengleichstellungsgesetzgebung genügt, liegt in der Kompetenz der zuständigen Baubewilligungsbehörden. Schnellladestationen, die bereits auf Rastplätzen in Betrieb sind, entsprechen daher grundsätzlich der SIA-Norm 500:2009 ‹Hindernisfreie Bauten›.»

Foto: Jürg Röthlisberger, hier als Referent an einer Veranstaltung des Tesla Owners Club Helvetia

Frage Rollstuhlblog.ch: Was wird das ASTRA unternehmen, um an diesen Orten im Nachhinein eine Rollstuhlgängigkeit zu ermöglichen, und bis wann?»

Antwort Jürg Röthlisberger, Direktor des ASTRA: «Bei den Rastplätzen besteht aus Sicht des ASTRA kein Handlungsbedarf. Die Raststätten liegen in der Hoheit der Kantone.»

Frage Rollstuhlblog.ch: Wie wird das ASTRA sicherstellen, dass die Rollstuhlgängigkeit an noch nicht erstellten Ladeplätzen deutlich besser gewährleistet ist?

Antwort Jürg Röthlisberger, Direktor des ASTRA: «Für die Schnellladestationen auf den Rastplätzen wurden Mindestanforderungen festgelegt (s. Antwort 1). Da diese auch für Schnellladestationen auf Raststätten gelten sollten, hat das ASTRA im Oktober 2021 seine Empfehlungen zum Aufbau von Schnellladestationen auf Raststätten überarbeitet. Damit sollten bei der Planung neuer Schnellladestationen auf Raststätten die Bedürfnisse von Menschen mit einer Gehbehinderung besser berücksichtigt werden. Für die Rastplätze gilt weiterhin die Empfehlung des ASTRA (s. Antwort 1).»

Wir ziehen daraus das Fazit: Was schon gebaut wurde und nicht hindernisfrei zugänglich ist, bleibt so. Und weil nur Empfehlungen ausgesprochen werden und nicht verbindliche Vorgaben, sind auch zukünftige Ladestationen nicht hindernisfrei.

Eidgenössisches Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen EBGB

Frage Rollstuhlblog.ch: Wieso hat das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen EBGB nicht frühzeitig interveniert, um sicherzustellen, dass möglichst alle Ladestationen barrierefrei erstellt werden?

Antwort Andreas Rieder, Leiter EBGB: «Das Bundesamt für Strassen ASTRA hat uns im Rahmen des Projekts zum Bau von Schnellladestationen auf 100 Rastplätzen frühzeitig konsultiert. Die Empfehlungen des ASTRA sehen denn auch vor, dass alle vier Ladeplätze hindernisfrei zu gestalten sind, wenn es die Platzverhältnisse auf dem Rastplatz erlauben. Ladestationen auf Raststätten sind im Besitz der Kantone. Hier sind diese zuständig, die Anforderungen des Behindertengleichstellungsgesetzes sicherzustellen. Um bei neuen Schnellladestationen auf Raststätten die Hindernisfreiheit zu gewährleisten, hat das ASTRA die entsprechenden Empfehlungen überarbeitet.»


«Das ASTRA stellt bei den Rastplätzen, für die der Bund zuständig ist, die Hindernisfreiheit sicher, Massnahmen seitens des EBGB sind nicht erforderlich.»

Andreas Rieder
Leiter des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen EBGB

 

«Es handelt sich hierbei um eine Empfehlung und nicht um eine Weisung.»

Jürg Röthlisberger
Direktor des Bundesamts für Strassen ASTRA

Frage Rollstuhlblog.ch: Was wird das EBGB unternehmen, um an diesen Orten im Nachhinein eine Rollstuhlgängigkeit zu ermöglichen?

Antwort Andreas Rieder, Leiter EBGB: «Siehe dazu Antwort zur folgenden Frage.»

Wie wird das EBGB auf das ASTRA einwirken, dass die Rollstuhlgängigkeit an noch nicht erstellten Ladeplätzen deutlich besser gewährleistet ist?

Antwort Andreas Rieder, Leiter EBGB: «Das ASTRA stellt bei den Rastplätzen, für die der Bund zuständig ist, die Hindernisfreiheit sicher, Massnahmen seitens des EBGB sind nicht erforderlich. Mit der Ausweitung der Empfehlungen wirkt das ASTRA im Rahmen seiner Möglichkeiten auch auf die Kantone als Besitzer der Raststätten ein.»

Frage Rollstuhlblog.ch: Wieso muss ich als Privatperson aktiv werden, um solche Missstände zu erkennen, obwohl ausreichend gesetzliche Vorgaben zur Barriere- bzw. Diskriminierungsfreiheit existieren, an die sich das ASTRA von Amtes wegen halten müsste, und obwohl es Ihre Fachstelle für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen gibt?

Antwort Andreas Rieder, Leiter EBGB: «Das ASTRA hat sich der Hindernisfreiheit der Schnellladestationen auf Rastplätzen, für die der Bund zuständig ist, frühzeitig angenommen und dabei auch das EBGB hinzugezogen. Dass Schnellladestationen, die nicht in der Zuständigkeit des Bundes liegen, nicht immer hindernisfrei sind, bedauern wir sehr, und wir sind dankbar für Ihre Hinweise. Die Möglichkeiten des Bundes, hier zu intervenieren, sind limitiert. Mit der Anpassung der entsprechenden Empfehlungen hat das ASTRA jedoch ein wichtiges Signal gegeben.»

Wieder einmal muss der Schweizer Föderalismus als Ausrede hinhalten, und wieder einmal sind die betroffenen Personen die Leidtragenden. Wir sind von beiden Institutionen enttäuscht. Gelangt eine autofahrende Person im Rollstuhl zu einer Ladestation, die sie nicht benutzen kann, spielt es für sie keine Rolle, ob nun die Bundes- oder Kantonsbehörden schuld daran sind. Sie muss ihr Auto aufladen und kann das nicht.