Ladestationen: Fehler wiederholt statt daraus gelernt
Am 1. Januar 2024 war es soweit: Nach eine Übergangsfrist von 20 Jahren müssen alle ÖV-Haltestellen in der Schweiz hindernisfrei nutzbar sein. Das heisst: Laut Gesetz können Menschen mit Behinderungen seit ein paar Tagen völlig selbstständig und ohne fremde Hilfe den öffentlichen Verkehr nutzen. Leider ist das bei viel zu vielen Haltestellen aber noch nicht der Fall. So manche Städte und Gemeinden haben sich allzu viel Zeit gelassen und mit der Planung und die Umsetzung zu spät begonnen. Und das, obwohl die Frist von ursprünglich zehn auf zwanzig Jahre verlängert wurde. In Basel dauerte es zehn Jahre, bis die allererste hindernisfreie Tramhaltestelle in Betrieb genommen wurde. Absurd ist die Lage in der Stadt Bern: Da findet im März 2024 eine Abstimmung darüber statt, ob der Rahmenkredit für die Umgestaltung weiterer (wohlgemerkt: noch nicht aller!) Haltestellen genehmigt wird. Eine Ablehnung ist möglich und würde bedeuten, dass die Stadt Bern die gesetzlichen Vorgaben weiterhin nicht einhält.
Dass die 20-jährige Frist nicht eingehalten wird, hat sich schon seit Jahren abgezeichnet. Deshalb hätte man meinen können, dass die Behörden auf allen Ebenen – Bund, Kantone und Gemeinden – aus dieser Erfahrung etwas gelernt haben. Leider ist das nicht der Fall. Denn gerade steuern wir auf das nächste grosse Infrastruktur-Problem für Menschen im Rollstuhl zu. Denn auch beim Erstellen von gesetzlichen Vorgaben für Ladestationen von Elektrofahrzeugen werden die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen ignoriert. So gibt es nur wenige Anbieter, die freiwillig (und teilweise auch eher zufällig!) ihre Ladestationen oder einzelne Ladeplätze so ausgestalten, dass sie im Rollstuhl bedient werden können. Typisch: Wer damit konfrontiert wird, weist die Verantwortung von sich. Das betrifft nicht nur das Bundesamt für Strassen ASTRA, sondern auch das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen EBGB.
Dieser Beitrag und unser Nachfragen bei den Kantonen will eine zweite Haltestellen-Situation verhindern. Es darf nicht wieder 20 Jahre dauern, bis die jetzt gemachten Fehler korrigiert sind. Die gesetzlichen Vorgaben müssen JETZT angepasst werden, damit die Anbieter JETZT Ladestationen bauen, die auch im Rollstuhl benutzt werden können.
Denn eine Frist ist bereits bekannt: Ab 2035 dürfen in der Europäischen Union keine neuen Verbrenner mehr zugelassen werden. Mehrere Autohersteller haben deshalb bereits angekündigt, ihre Produktion bis dann auf rein elektrische Fahrzeuge (BEV, «Battery electric vehicles») umzustellen und keine Verbrenner mehr zu produzieren. Das Schweizer Parlament hat sich zwar nicht getraut, sich diesem Entscheid anzuschliessen. Aber auch hierzulande werden bis dann kaum noch Verbrenner angeboten. Und auch wenn bisher zugelassene Autos weiterhin fahren dürfen, sollte trotzdem auf dieses Datum hin alles bereit sein für die Elektromobilität. Das bedeutet also: Ähnlich dem heutigen Tankstellen-Netz muss bis 2035 eine ausreichende Ladeinfrastruktur geschaffen werden. Die Bevölkerung muss zu Hause, bei der Arbeit, beim Einkaufen und beim Reisen die Möglichkeit haben, ihre Elektroautos aufzuladen. Auch Autofahrerinnen und Autofahrer, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind.