Kameras sollen verkehrsfreie Innenstadt Basel überwachen: Schlechterstellung von Behinderten befürchtet

Michael Wüthrich und weitere Basler Grossräte haben im Grossen Rat des Kantons Basel-Stadt einen parlamentarischen Vorstoss eingereicht (Link), der dort scheinbar „Anzug“ heisst. So sollen rund um die verkehrsfreie Innenstadt Kameras aufgestellt werden, welche die Kennzeichen der Fahrzeuge erfassen und sie mit der Datenbank der Zugangsberechtigungen abgleichen. Ist eine solche vorhanden, so passiert nichts. Ist das Fahrzeug nicht zum Zugang berechtigt, so wird eine Busse ausgelöst.

Ich befürchte, dass dies zu einer Schlechterstellung von Menschen mit einer Gehbehinderung führt. Gemäss § 2 Buchstaben e und f der Verordnung betreffend die ausnahmsweise Zufahrt in die Innenstadt ist für sie die Zufahrt bewilligungsfrei, d.h. ohne dass sie eine Kurz- oder Dauerbewilligung beantragen müssen (ausser bei regelmässiger Verrichtung in der Kernzone, § 3 Abs. 3 Bst. c, obwohl mir noch niemand beantworten konnte, ab welcher Frequenz dies gilt). Das von Herrn Wüthrich vorgeschlagene System, das in einem solchen Fall automatisch eine Busse verschicken würde, würde die in der Verordnung enthaltene bewilligungsfreie Zufahrt für Menschen mit einer Gehbehinderung faktisch aufheben und sie dazu zwingen, trotzdem eine Bewilligung einzuholen. Eine solche Schlechterstellung ist auf jeden Fall abzuwenden.

Herr Wüthrich weist in seinem Vorstoss auf das System in Holland hin. Wir kennen unsererseits dasjenige in London. Dort ist die Zufahrt in die Innenstadt zwar nicht verboten, aber kostenpflichtig (die sog. Congestion Charge, umgerechnet knapp 20 Franken pro Tag). Menschen mit einer Gehbehinderung sind von dieser Gebührenpflicht aber ausgeschlossen. Sie können sich mit einer Kopie ihrer Behindertenparkkarte (in England Blue Badge genannt) registrieren und ihre Befreiung von der Gebührenpflicht jeweils jährlich auf Erinnerung hin erneuern. Dabei ist es möglich, mehr als eine Autonummer zu hinterlegen, auch temporär, um sich mal von einem Freund o.ä. nach Hause bringen zu lassen. Die Gebührenbefreiung gilt auch für ausländische Besucher mit einer Gehbehinderung. Wir sind seit vielen Jahren registriert und fahren mehrmals jährlich mit unserer Schweizer Autonummer kostenlos in die Londoner Innenstadt. Dazu liegen die Informationen und Unterlagen zur Congestion Charge auch in vielen Sprachen vor (z.B. auf Deutsch). Falls das von Herrn Wüthrich vorgeschlagene Kamerasystem zur Anwendung kommt, müsste er dabei ein ähnliches System schaffen und für ausländische Besucher mit Gehbehinderung sicher auch die Informationen, Formulare und Webseite in mehreren Sprachen bereitstellen.

Einen ähnlich hohen administrativen Aufwand würde das Kamerasystem mit automatischem Bussenversand bezüglich der Hotelgäste generieren, die für die Hotelzufahrt ebenfalls von der Bewilligungspflicht ausgenommen sind. Auch für diese müsste ein unkompliziertes System zur Verfügung gestellt werden, um nicht ständig grundlos Bussen in alle Kantone und umliegende Länder zu verschicken.

Ich schicke Herrn Wüthrich diese Gedanken und hoffe, dass sie in seine weiteren Überlegungen einfliessen. Menschen mit einer Behinderung dürfen durch ein neues System keinesfalls schlechtergestellt werden.

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