Rendez-vous Bundesplatz enttäuscht Rollstuhlfahrer

Die Freude am Rollstuhl-Podest war kurz. In den vergangenen Jahren konnten Menschen im Rollstuhl die Lichtshow «Rendez-vous Bundesplatz» nur von der «Roten Zone» aus mitverfolgen, viel zu nahe vor dem Bundeshaus. Wegen dem Umbau der Nationalbank war das scheinbar nicht anders möglich. Und obwohl dieser in der Zwischenzeit abgeschlossen ist, kehrt der Rollstuhl-Podest nicht wieder zurück. Wieso nicht?

Inmitten von vielen anderen Leuten sehen Menschen im Rollstuhl nur die Rücken der Personen vor ihnen. Das war auch bei den ersten Aufführungen der Lichtshow «Rendez-vous Bundesplatz» in den Jahren 2011 und 2012 nicht anders. Und sehr unbefriedigend. Aus diesem Grund hatte ich damals mit der Starlight Events GmbH, der Veranstalterin der Lichtshow, Kontakt aufgenommen, um sie auf das Problem aufmerksam zu machen.

Dort stiess mein Anliegen auf offene Ohren. Der damalige Geschäftsführer antwortete positiv und schrieb mir später: «Im Nachgang zu Ihrer Anfrage und unserem früheren Mail haben wir die Möglichkeit einer Rollstuhltribüne auf dem Bundesplatz geprüft, einerseits mit Spezialisten im Behinderten gerechten Bauen, andererseits mit relevanten Lieferanten und in einer Vorabklärung mit den Bewilligungsbehörden der Stadt Bern. Für dieses Jahr lässt sich diese Idee leider nicht kurzfristig realisieren. Wir werden aber bei der Planung eines möglichen kommenden Anlasses Ihre Anregung gerne wieder aufnehmen.»

Die Rollstuhltribüne 2013 und 2014

Und das haben sie wirklich getan. In den Jahren 2013 und 2014 konnten Menschen im Rollstuhl die Lichtshow von einem erhöhten Podest aus geniessen. Dieser war vor der Berner Kantonalbank platziert und von einer Security-Person bewacht, die darauf geachtet hat, dass wirklich nur Menschen im Rollstuhl und ihre Begleitpersonen über die Rampe auf den Podest gelangen.

Baustelle vor der Nationalbank

Dann begann die Renovation der Nationalbank, und anstelle des Rollstuhl-Podests gab es nur einen roten Aufkleber auf dem Bundesplatz, auf den sich Menschen im Rollstuhl stellen können. Auf Nachfrage bei der Organisatorin erhielt ich die Antwort:

«Leider ist es so, dass wir für die nächsten 3 Jahre vor der Nationalbank eine Baustelle haben,
daher mussten wir auf das Bistro Rendez-vous verzichten. Wir hatten lediglich die Bewilligung für ein Street Food mit 2 mobilen Wagen vor der BEKB. Das ist der Grund, warum die Behindertenrampe im Moment keinen Platz hat.»

Von der «Roten Zone» aus ist die Sicht deutlich schlechter als noch vom Rollstuhl-Podest. Zwar stehen wir dort gerader vor dem Bundeshaus, aber viel zu nahe. Wir sehen nur einen Teil des Bundeshauses und haben nach der fast halbstündigen Lichtshow eine ziemliche Genickstarre. Wir fragen uns deshalb, ob wirklich alle Menschen im Rollstuhl so lange so stark aufwärts blicken können.

Enttäuschung im 2019

Ende 2018 war die Renovation der Nationalbank dann endlich vorbei. So freuten wir uns dieses Jahr auf die Rückkehr des Rollstuhl-Podests. Doch leider zu früh. Denn auf der Webseite von Rendez-vous Bundesplatz ist aber auch für die diesjährige Show nur die Rote Zone aufgeführt. Ich nehme deshalb erneut Kontakt auf mit der Veranstalterin.

Und erhalte von Frau Roux diese Antwort: «Allen Leuten recht getan ist eine Kunst die niemand kann. Das Bistro vor der Nationalbank ist ein grosses Bedürfnis und wird sicher auch von behinderten Menschen begrüsst. Ebenso das Street-Food auf dem Platz. Die rote Zone wird auch wenn es nicht die perfekte Lösung ist, von vielen Menschen im Rollstuhl verdankt.»

Der Besuch vor Ort verschafft dann Klarheit:

Es gibt für Menschen im Rollstuhl tatsächlich nur wieder die «Rote Zone». Vor der Nationalbank steht das erwähnte Bistro, und vor der Berner Kantonalbank befinden sich drei Essensstände. Mit diesen kann die Veranstalterin natürlich mehr Geld verdienen als mit einem Podest für Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer. Es ist beschämend, dass Frau Roux damit die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen einfach aus rein monetären Gründen übergeht.

Die Essensstände sind meiner Meinung nach sowieso unnötig. In der Umgebung gibt es genügend Anbieter aller Art, um den kleinen oder grossen Hunger zu befriedigen. Auch wir waren jedes Mal nach der Lichtshow noch etwas essen gegangen oder haben ein Take-Away mit nach Hause genommen. Eine halbe Stunde lang übersteht wohl jeder und jede, ohne etwas zu essen. Ausserdem frage ich mich: Wo befinden sich denn Toiletten? Aber auch hier wurde gespart – genauso wie mit dem Rollstuhl-Podest lässt sich auch mit Toiletten kein Geld verdienen.

Auch im Bistro gibt es keine Toilette. Und zwar eine Rampe zum Eingang, aber im Inneren nur hohe Tische und hohe Stühle, die für Menschen im Rollstuhl absolut ungeeignet sind. Entgegen der Aussage von Frau Roux wird das Bistro also sicher nicht «von behinderten Menschen begrüsst».

Ein Funke Hoffnung fürs nächste Jahr

Aufgrund der enttäuschenden Antwort von Frau Roux nehme ich Kontakt auf mit der Stadt Bern. Denn ich frage mich, ob die Organisatorin schon während der Baustelle einfach die Essensstände vor der Berner Kantonalbank platzieren wollte und vielleicht gar nicht um eine Bewilligung für den Rollstuhl-Podest ersucht hat, das sie gemäss ihrer Aussage nicht erhalten hat.

Am nächsten Morgen meldet sich der Leiter der Orts- und Gewerbepolizei der Stadt Bern telefonisch bei mir. Er ist froh um meine Rückmeldung, dass die «Rote Zone» keine optimale Lösung ist. Denn nur so ist es möglich, die Situation zu optimieren, und die Stadt Bern wolle sich gerade bei regelmässigen Veranstaltungen immer verbessern. Er geht zwar nicht weiter auf die bisherige Situation ein, verspricht mir aber für nächste Woche eine Kontaktaufnahme durch die für Rendez-vous Bundesplatz zuständige Person innerhalb der Stadtverwaltung, um die zukünftige bessere Berücksichtigung von Menschen mit Behinderungen zu besprechen. So könnte die Stadt der Veranstalterin die Auflage erteilen, wieder einen Rollstuhl-Podest bereitzustellen.

Es gibt also Hoffnung, dass die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen ab dem nächsten Jahr wieder besser berücksichtigt werden.

Rendez-vous Bundesplatz 2019

Die diesjährige Lichtshow ist heute 19. Oktober 2019 in die neue Saison gestartet. Thema ist das 50-Jahre-Jubiläum der ersten Mondlandung. Noch bis am 23. November 2019 gibt es jeden Tag zwei Vorstellungen (um 19.00 Uhr und um 20.30 Uhr sowie an Freitagen und Samstagen eine zusätzliche Vorstellung um 21.30 Uhr. Am Wahlsonntag (20. Oktober 2019) finden keine Vorstellungen statt.

(Foto von www.rendezvousbundesplatz.ch)

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