Grossbaustelle Capitol: keine zusätzliche Rampe für Rollstuhlfahrende

Noch bis Sommer 2022 wird das ehemalige Kino Capital in der Berner Altstadt zu Wohnungen umgebaut. Auf beiden Seiten der Baustelle sind die Laubendurchgänge blockiert. Doch während es an der Kramgasse eine Umleitung für Rollstuhlfahrende mit Rampe zur Gasse gibt, fehlt eine solche Möglichkeit in der Rathausgasse.

Die Berner Altstadt und insbesondere die untere Altstadt ist nicht gerade einfach mit dem Rollstuhl befahrbar. Nur die Laubengänge bewahren vor dem holprigen Kopfsteinpflaster. Vielerorts gibt es einen Höhenunterschied zwischen Laube und Gasse mit einer oder mehr Stufen. Während das für meisten Leute kein Problem darstellt, verhindert es aber, dass Menschen im Rollstuhl die Laube verlassen können. Ihnen bleibt oft nichts anderes übrig, als bis zur nächsten flachen Stelle weiterzufahren, um auf die Gasse zu gelangen.

Das Kino Capitol in der Nähe des Zytglogge wurde schon vor einiger Zeit geschlossen. Das Gebäude wird in Mietwohnungen umgebaut, das «Maison Capitol». Die Baustelle (in der Karte orange eingezeichnet) nimmt auf beiden Seiten die Laubendurchgänge in Beschlag. Sowohl in der Kramgasse als auch in der Rathausgasse sind sie deshalb abgesperrt und ein Durchkommen im Rollstuhl nicht mehr möglich. Davor und danach kann wegen dem Höhenunterschied nicht zwischen Laube und Gasse hin- und hergewechselt werden (in der Karte rot eingezeichnet).

Grosse Karte: Lauben-Zugänge rund um die Capitol-Baustelle

Menschen im Rollstuhl, die vom Bärengraben her die Laube in der Kramgasse hinauffahren, werden beim Schaalgässchen mit einer Tafel darauf hingewiesen, dass sich hier die letzte Möglichkeit befindet, die Laube zu verlassen. Auch hier gäbe es eine Stufe von der Laube zur Gasse, doch die Stadtbehörden haben mit ein bisschen Teer eine temporäre Rampe erstellt. Sehr vorbildlich.

In der Rathausgasse hingegen gibt es weder eine Tafel noch eine Rampe. Wer hier ebenfalls im Rollstuhl vom Bärengraben her die Laube hochfährt, muss sich auf eine Überraschung gefasst machen. Denn der einzige Ort, an dem die Laube hindernisfrei verlassen werden kann, ist bei der Christkatholischen Kirche St. Peter und Paul beim Rathaus. Diese Person muss also entweder den ganzen Weg wieder zurückfahren, oder gelangt durch das Schlüsselgässchen in die Kramgass-Laube, wo ein Durchkommen aber ebenfalls unmöglich ist. Auch hier muss sie den halben Weg in Richtung Rathaus zurückfahren, um beim Schaalgässchen auf die Gasse wechseln und notgedrungen auf dem Kopfsteinpflaster weiter in Richtung Zytglogge fahren zu können (hellblauer Pfeil). Das ist ein ziemlicher Umweg, und für Menschen im Handrollstuhl, die ohne Begleitperson, Zugmaschine oder sonstige Unterstützung unterwegs sind, ein ziemlicher Kraftakt.

Und auch der Besuch eines Ladens in der Rathausgasse, zum Beispiel um bei «Casa Nobile» feine Pralinen zu Weihnachten zu kaufen, ist schwieriger als man denkt, nachdem man auf dem Behindertenparkplatz (blau) in der Nähe parkiert hat. Statt rund 30 Meter über eine Stufe beträgt der Weg 300 Meter (hellblauer Pfeil). Zugegeben: Auch ohne Baustelle wäre hier ein Umweg zum Zibelegässli nötig gewesen.

Wir haben Kontakt mit den Stadtbehörden aufgenommen mit der Frage, ob nicht auch an der Rathausgasse eine temporäre Rampe errichtet werden könnte. Dafür hätten wir auch eine geeignete Stelle gefunden und den Behörden vorgeschlagen (rosa Pfeil): Ganz in der Nähe des Behindertenparkplatzes befindet sich die niedrigste Stelle mit nur einer Stufe, auch wenn der Höhenunterschied leicht grösser ist als in der Rathausgasse. Auch hier könnte wohl ein bisschen Teer hingeschüttet und eine Tafel aufgestellt werden.

Das Bauinspektorat der Stadt Bern hat sehr schnell auf unseren Vorschlag reagiert, und zusammen mit dem Tiefbauamt eine Besichtigung durchgeführt. Danach dauerte es aber vier Wochen, bis wir eine Anwort des Tiefbauamts erhalten haben:

«Wir sind uns bewusst dass sich bei Baustellen immer Einschränkungen für Anwohner und Verkehrsteilnehmer ergeben.
Die Zugänglichkeit zur Laube ist in der Rathausgasse und der Kramgasse möglich. Es ist entsprechend signalisiert von wo her der Zugang zu den einzelnen Liegenschaft möglich ist. Zusätzliche behindertengerechte Zugänge lassen auf der Grund der Platzverhältnisse und Höhenunterschiede kaum realisieren.»

Schade. Nur weil der Zugang zur Laube in der Rathausgasse irgendwo «möglich» ist, ist das für Rollstuhlfahrende noch lange nicht optimal. Wir hoffen, dass die Stadtbehörden die Bedürfnisse von Menschen im Rollstuhl zukünftig schon in der Planungsphase von Baustellen besser berücksichtigen. Und dass dieser Beitrag Menschen im Rollstuhl hilft, einen optimaleren Weg durch die Berner Altstadt zu finden, bis die Baustelle im Sommer 2022 wieder verschwunden ist.

Grosse Karte: Lauben-Zugänge rund um die Capitol-Baustelle

800 Jahre Stadtgeschichte

Vor dem Beginn des Totalumbaus des ehemaligen Kinos Capitol hat der Archäologische Dienst des Kantons Bern einen Tag der offenen Grabung durchgeführt und Spannendes zu den Überresten aus verschiedenen Epochen der Stadtgeschichte erzählt. Weil der Besuch im Rollstuhl verständlicherweise nicht möglich war, ist die Führung hier zu sehen:

Einen Kommentar verfassen