Procap-Umfrage rollstuhlgängige Wohnungen: Teuer, falsch deklariert oder bereits vergeben

Eine Umfrage bei Betroffenen und eine Analyse des Wohnungsmarkt enthüllt: Günstige rollstuhlgängige Wohnungen sind rar, die Rollstuhlgängigkeit wird mangelhaft deklariert und geeignete Wohnungen zu wenig konsequent an Rollstuhlfahrende mit niedrigem Einkommen vergeben. Procap Schweiz fordert deshalb Verwaltungen und Genossenschaften auf, geeigneten Wohnraum vermehrt zielgruppengerecht öffentlich auszuschreiben und an interessierte Rollstuhlfahrende zu vergeben.

Im Herbst 2012 hat Procap Wohnen die Wohnungssuchenden zu ihrer aktuellen Wohnsituation und zu ihren Erfahrungen bei der Suche nach einer rollstuhlgängigen Wohnung befragt. Geantwortet haben fast ausschliesslich Menschen im IV-Alter (18-65 Jahre). Knapp 60 Prozent der Antwortenden müssen mit einem Einkommen von maximal 48’000 Franken pro Jahr über die Runden kommen. Zwei Drittel dieser Personen sind auf Ergänzungsleistungen angewiesen.

Insgesamt 44 Personen haben den elektronischen Fragebogen ausgefüllt, 10 darunter aus der Westschweiz. Die Umfrage ist somit zwar nicht repräsentativ, zeigt aber doch deutlich drei grundlegende Probleme bei der Suche nach geeignetem und vor allem günstigem Wohnraum für Rollstuhlfahrende auf.

Wohnen mit Hindernissen

Erstens sind die Mieten der Wohnungen viel zu hoch für das Budget von Betroffenen, zweitens entsprechen als rollstuhlgängig deklarierte Wohnungen häufig nicht den sechs Minimalanforderungen an rollstuhlgängige Wohnungen (siehe unten stehenden Kasten) und drittens werden gemäss Rückmeldungen an Procap Schweiz Menschen im Rollstuhl oft übergangen, wenn sie sich für eine rollstuhlgängige Wohnung bewerben.

Der überwiegende Teil der befragten Personen muss sich deshalb in nur beschränkt geeigneten rollstuhlgängigen Wohnungen durchkämpfen, wie z. B. eine Rollstuhlfahrerin mit einem Einkommen von weniger als 36’000 Franken pro Jahr. Der Zugang zu ihrer günstigen, aber nur beschränkt rollstuhlgängigen Wohnung ist für sie nur möglich durch die Tiefgarage. Dort muss sie ihren Scooter abstellen und mühsam ein paar Schritte machen, um über eine hohe Stufe in die Waschküche zu kommen. Mit dem bereit stehenden Handrollstuhl gelangt sie zum Lift, der sie schliesslich ins Hochparterre bringt. Ihren Briefkasten kann nur die Spitex leeren. Die Frau sucht seit einiger Zeit verzweifelt eine bezahlbare rollstuhlgängige Wohnung. Hat sie eine geeignete Wohnung gefunden, scheitert es dann häufig an der fehlenden Bereitschaft der Vermieter, die notwendigen Anpassungen in Küche und Bad zu bewilligen, obwohl diese in der Regel von der IV bezahlt werden.

Akuter Mangel an geeigneten Wohnungen

Eine Analyse des Angebotes auf der Schweizer Plattform für altersgerechte und rollstuhlgängige Wohnungen www.procap-wohnen.ch bestätigt die Aussagen der Umfrage-Teilnehmer:

Zwar gibt es gegenüber der letzten Analyse von 2009 einen klaren Anstieg an rollstuhlgängigem Wohnraum. Doch dieser fand vor allem im hochpreisigen Sektor ab 1500 Franken Mietkosten statt. Nach wie vor besteht ein akuter Mangel an günstigen rollstuhlgängigen Wohnungen mit einer Miete bis 1500 Franken. Darunter leiden finanzschwache Menschen mit Behinderung. Denn wer Ergänzungsleistungen bezieht, darf maximal 1500 Franken für Wohnkosten ausgeben.

Rollstuhlgänge Wohnungen zielgruppengerecht vermarkten

Procap Schweiz fordert die Anbieter von rollstuhlgängigen Wohnungen (Verwaltungen, Genossenschaften) auf, geeigneten Wohnraum vermehrt anhand der sechs Minimalanforderungen an rollstuhlgängigen Wohnungen zu deklarieren, zielgruppengerecht öffentlich auszuschreiben und an interessierte Rollstuhlfahrende zu vergeben. Eine massgeschneiderte Lösung bietet die korrekte Ausschreibung von rollstuhlgängigen Wohnungen bei einem der Insertionspartner von Procap Wohnen (www.procap.ch/Wohnung-inserieren.452.0.html).

Minimalanforderungen an rollstuhlgängige Wohnungen

Die minimalen Anforderungen dienen ausschliesslich als Beurteilungsgrundlage für die Rollstuhlgängigkeit von bestehenden Wohnungen. Für die Planung von Wohnbauten (Neu- und Umbauten) sind die geltenden Normen und Gesetze zu berücksichtigen. Die folgenden sechs Minimalanforderungen müssen zwingend erfüllt sein, damit eine Wohnung bei der Vermittlung als rollstuhlgängig angeboten werden kann:

Stufenloser Zugang: Ganzer Weg ab Strasse/Trottoir bis zur Wohnungseingangstüre ohne Stufen.

Liftkabine: 1.10 m breit, 1.40 m tief, Türbreite 0.8 m. In Altbauten werden ausnahmsweise auch die Kabinenmasse 1 m breit, 1.25 m tief toleriert.

Keine Niveauunterschiede in der Wohnung: Mehrgeschossige Wohnungen gelten nur dann als rollstuhlgängig, wenn alle Niveaus durch rollstuhlgängige Lifte oder Plattform-Treppenlifte verbunden sind.

Korridorbreite: mindestens 1.20 m

Türbreite: Türen zur Wohnung, zu den Zimmern, zu WC/Bad/Dusche und zur Küche müssen mindestens 80 cm breit und schwellenlos sein. In Altbauten und Kleinbauten wird ausnahmsweise auch eine Breite von 75 cm toleriert.

Raumgrösse der Nasszelle: Raumgrösse WC/Bad mindestens 1.70 x 2.20 m, Raumgrösse WC/Dusche mindestens 1.65 x 1.80 m. Mindestens einer dieser Räume muss vorhanden sein.

Weitere Auskünfte:

– Urs Schnyder, Mitarbeiter Procap Wohnen, Tel. 062 206 88 55, urs.schnyder@procap.ch.

Wer ist Procap Schweiz?

Procap Schweiz ist der grösste gesamtschweizerische Selbsthilfe- und Mitgliederverband von und für Menschen mit Handicap. Procap hat eine basisnahe Struktur mit einem flächendeckenden Angebot und zählt heute über 20’000 Mitglieder in rund 45 lokalen Sektionen und 30 Sportgruppen. Procap bietet ihren Mitgliedern spezialisierte Beratungsdienstleistungen in den Bereichen Sozialversicherungsrecht, Bauen, Wohnen und Reisen an. Zudem erschliesst Procap mit ihren Aktivitäten Menschen mit Behinderung den Zugang zu Sport, Freizeit, Kultur und Gesellschaft. www.procap.ch

Quelle: Medienmitteilung von Procap vom 22. Mai 2013

Anmerkung: Auch wir haben bei der Wohnungssuche die selben Erfahrungen gemacht. Dank der Unterstützung meiner Eltern können wir im August 2013 in eine neue Wohnung näher bei Bern und näher bei meiner Arbeitsstelle ziehen, die wir uns ansonsten eigentlich nicht leisten könnten.

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