Reisen im Rollstuhl 2011 (6): London
Vom Bluewater Einkaufszentrum her geht es weiter nach London, unserer letzten Station in Grossbritannien. Nach einer abenteuerlichen Fahrt durch die Vorstädte und am Millenium Dome (heute die O2-Arena) und dem London Eye-Riesenrad gelangen wir in die Innenstadt.
Wir fahren neben der Tower Bridge und am Trafalgar Square und Piccadilly Circus vorbei und die Regent Street (Video) hinauf, ständig auf der Hut vor den Doppeldecker-Bussen und den Londoner Taxis. Kurz vor dem Oxford Circus biegen wir nach Westen ab und treffen wenig später vor unserem Hotel in der Nähe des Marble Arch ein.
Nachdem wir das Gepäck ausgeladen und das Zimmer bezogen haben, parkiere ich das Auto im nahe gelegenen Parkhaus (unglaublich: günstiger als die Parkhäuser in Bern oder Zürich). Zwar gibt es in London auch sehr viele Behindertenparkplätze, aber halt – verständlicherweise – mit Zeitbeschränkung.
Wir durften gratis in die Innenstadt fahren. Die Congestion Charge, die ansonsten jeder Automobilist für die Fahrt in Londons Innenstadt von 7-18 Uhr bezahlen muss (10 GBP, je nach Wechselkurs rund 15-20 Franken), wird Personen mit Gehbehinderung bei vorgängiger Anmeldung erlassen. Unser Antrag, den wir noch von zu Hause aus abgeschickt hatten, wurde in Rekordzeit bewilligt.
Die Behindertenzimmer im altehrwürdigen Hotel (das irgendwie bei jedem Besuch teurer zu werden scheint) sind alle gleich aufgebaut und verfügen über ein grosses Badezimmer mit halb abgetrennter, rollstuhlgängiger Dusche und Duschsitz.
Ein separater Lift führt von der Hotel-Lobby im 1. Stock hinunter zur Strasse. Eine Häuserzeile weiter östlich befindet sich bereits das riesige Warenhaus Selfridges. Dieses hat gerade einen neuen Behindertenlift zum Lebensmittelbereich eingebaut, bei dem sich nun auch die Türen elektrisch öffnen und schliessen – eine Wohltat für jeden Rollstuhlfahrer, der alleine unterwegs ist.
Auch im Disney Store weiter vorne an der Oxford Street gibt es einen Lift in den oberen Stock. Der wird aus Sicherheitsgründen von einem Mitarbeiter in Anzug und Krawatte bedient.
Nahe des Oxford Circus besuchen wir das wunderschöne Liberty Kaufhaus. Hier drin finden wir ein extrem grosses Behinderten-WC mit kleinem Vorraum – praktisch, wenn man bereits viele Einkäufe mit dabei hat, die man hier abstellen kann.
Jetzt nehmen wir den Bus. Das machen wir gerne in London, denn man sieht viel mehr von der Stadt als in der dunklen U-Bahn. Busfahren in London ist ganz einfach – wenn man weiss, wie es geht: Jede Haltestelle verfügt über eine Liste mit Zielstationen, Buslinien, die dorthin fahren, und der Buchstabe der Haltestelle im näheren Umkreis, von wo diese Linie fährt. Denn an jeder Haltestelle halten jeweils nur ein paar von den über hundert Buslinien, ansonsten gäbe es ein Chaos. Dank dem Plan und dem Buchstaben ist die richtige Haltestelle einfach auffindbar. Sämtliche Busse verfügen über eine elektrische Rollstuhlrampe, die in Windeseile ausgefahren ist. Probleme gibt es nur, falls die Rampe ausgerechnet gegen eine hohe Steinplatte oder ein anderes Hindernis stösst. Dann zieht sie sich automatisch zurück. Meistens fährt der Busfahrer dann ein wenig weiter nach vorne und fährt die Rampe erneut aus.
Im Bus drin gibt es einen grossen Bereich für einen Rollstuhl. Während der Fahrt steht der Rollstuhl gegen die Fahrtrichtung mit dem Rücken zum Polster. Direkt in Griffweite befindet sich ein Halte-Knopf für Rollstuhlfahrer. Für Rollstuhlfahrer ist die Fahrt kostenlos, Begleitpersonen zeigen dem Fahrer ihr vor dem Einsteigen gelöstes Billet oder Abo – da sind die Fahrer (zu Recht) pingelig.
In Windeseile ist man am Ziel. Zum Beispiel am Trafalgar Square mit der Admiral Nelson-Säule. Und sogar hier gibt es ein Behinderten-WC! Einfach in den Kubus hinein und mit dem Lift hinunterfahren.
Während unserem London-Aufenthalt besuchen wir auch das Theater. Meine Lieblings-Schauspielerin Keira Knightley spielt (scheinbar jedes Jahr, zumindest schon das zweite Jahr in Folge) in einem Stück mit. Über eine Falt-Rampe geht’s ins alte Theater. Dank einer interessanten Metallkonstruktion überwinden wir die Treppenstufe zu unserem Platz. Zwei Rollstuhlfahrer können von hier aus das Stück sehen. Leider gibt es kein Behinderten-WC, man darf aber das des italienischen Restaurants vis-à-vis benutzen.
Fazit: London ist ein wunderbares Reiseziel für Rollstuhlfahrer und kann von uns vorbehaltlos empfohlen werden. Die ganze Infrastruktur ist – natürlich auch wegen einem strengen Gesetz – auch auf Gehbehinderte ausgelegt. Hier sind alle Leute höflich und zuvorkommend. Niemand lässt einem die Türe vor der Nase zufallen wie in der Schweiz. Hier können sich Leute im Rollstuhl wie normale Personen fühlen und werden auch so behandelt. Der einzige Störfaktor: Wie fast überall in Grossstädten werden auch in London die Behinderten-WCs in grossen Geschäften ungeniert von Leuten benutzt, die keinerlei Gehbehinderung haben, sondern einfach zu bequem sind, die normalen WCs zu benutzen.