Reisen im Rollstuhl 2010 (1): Erstes Flugerlebnis mit Swiss

Im Februar 2010 brachen wir zu unserer ersten Flugreise seit der Gehbehinderung auf: Mit Swiss nach London. Ein Erlebnis, das wirklich überlegen lässt: Wollen wir uns das erneut antun? Hier meine Reklamation an Swiss und den Flughafen Zürich nach der Reise

„Sehr geehrte Damen und Herren

Meine Frau ist gehbehindert und selbst für kurze Strecken auf den Rollstuhl angewiesen. Für unsere erste Flugreise seit Eintritt der Behinderung haben wir uns für einen Flug mit Swiss vom Flughafen Zürich aus entschieden, da wir uns von beiden die bestmögliche Unterstützung für Rollstuhlfahrer erhofft haben. Dafür waren wir auch bereit, mehr zu bezahlen (Gesamtbetrag Flugticket: CHF 481 pro Person, d.h. CHF 962 für beide). Anscheinend sind wir bezüglich der guten Unterstützung von Rollstuhlfahrern aber bei beiden falsch gelegen.

Ungefähr 1 Monat vor der Abreise habe ich mit der Swiss-Hotline Kontakt aufgenommen. Frau Roberts stellte etliche Fragen und bot einen Onboard-Rollstuhl an, mit dem wir nötigenfalls zur Toilette transferieren könnten. Dieses Angebot habe ich gerne angenommen. Auf meine Nachfrage hin versicherte sie mir, dass wir uns um nichts weiter kümmern müssten.

Am Flughafen angekommen erklärte uns der freundliche Herr an Schalter 125, dass einerseits die Behinderung bei mir eingetragen sei und nicht bei meiner Frau, und andererseits vermerkt sei, dass meine Frau nur bis zum Flugzeug gebracht werden müsse, von hier aus aber selbst zum Sitzplatz gelangen könne. Er wolle dies noch ändern.

Am Gate wurden wir dann von zwei freundlichen Herren abgeholt und mangels Fingerdock (dass es so etwas überhaupt noch gibt!?) zu einem Hebebühnen-Lastwagen gebracht, der uns auf Einstiegshöhe brachte. Zuvor mussten wir im eiskalten Gefährt aber ungefähr eine halbe Stunde ausharren, weil der Catering-Wagen an unserer Flugzeugtüre auslud. Bis dahin waren bereits alle anderen Passagiere am Einsteigen und drängten sich entweder auf dem Gang herum oder warteten ungeduldig auf den verspäteten Abflug.

Jetzt wurde also meine Frau ins Flugzeug gebracht. Auf einem Transportwägeli, das direkt aus dem Film Das Schweigen der Lämmer hätte stammen können, in dem der Hannibal Lecter in den Gerichtssaal gefahren wird – nur ohne Gesichtsmaske. Und natürlich war auch dieses Wägeli eiskalt. Zu meinem Erstaunen waren für uns ganz normale Sitze reserviert und die Helfer bestanden darauf, dass meine Frau am Fenster sitzen muss. Im Nachhinein habe ich gelesen, dass dies so Vorschrift sei. Dazu haben die Helfer meine Frau mehr an den Brüsten als an den Armen auf den Fensterplatz der Dreiersitzreihe gezerrt. Diese Prozedur vor allen anderen Passagieren war für meine Frau sowohl schmerzhaft als auch extrem demütigend. Ich konnte weder helfen noch eingreifen, weil ich mit dem Sitznachbarn weiter hinten in den Gang gedrängt wurde, und auch gar nicht richtig sah und auch nicht wusste, was hier geschah. Schliesslich wurden wir über nichts informiert, was geschehen wird.

Und natürlich war auch der versprochene Onboard-Rollstuhl nirgends, womit keine Möglichkeit bestand, zur Toilette zu gelangen.

Umso unkomplizierter erfolgte dann in London Heathrow das Abholen mit einem schmalen Rollstuhl und dem Fingerdock.

Um sicherzugehen, dass der Rückflug reibungsloser abläuft, wollte ich aus London nochmals die Swiss-Hotline anrufen. Dies stellte sich jedoch als schier unmöglich heraus. Nachdem ich mehrmals nach kürzerer Wartezeit wieder aufgehängt habe – schliesslich ist ein Telefonanruf aus England nicht gratis –, wollte ich am Mittwoch, 24. Februar 2010 um 22:18 Uhr Schweizer Zeit endlich mit einem Swiss-Mitarbeiter sprechen. So habe ich 22 Minuten in der Warteschlange verbracht, wobei mir das Tonband versprach, mich mit dem nächsten freien Mitarbeiter zu verbinden. Dies geschah jedoch nicht. Aufgrund der langen Wartezeit bin ich davon überzeugt, von der Band-Ansage angelogen worden zu sein. Entweder wurden vor mir noch andere Anrufer bedient, womit ich nicht den nächsten freien Mitarbeiter zugeteilt erhielt, oder die Swiss-Hotline wurde um diese Zeit nicht mehr bedient, wobei ich eine entsprechende Ansage erwartet hätte.

Am Donnerstag, 25. Februar 2010, habe ich dann um 16:08 einen weiteren Anrufversuch unternommen, und nach ungefähr zehnminütiger Wartezeit endlich eine Swiss-Mitarbeiterin erreicht und ihr unser Anliegen erklärt. In gebrochenem Deutsch erklärte sie, dass unsere beim Hinflug als falsch erkannten Daten noch immer im System seien bzw. für den Rückflug nicht korrigiert wurden. Vorwurfsvoll teilte sie mir mit, dass eine solche Änderung bloss einen Tag vor Abflug sehr spät sei, woraufhin ich ihr entgegnete, dass ich ja seit mehreren Tagen vergeblich versucht hatte, die Swiss zu erreichen. Jetzt stellte sie alle möglichen irrelevanten Fragen wie: Kann sie wirklich nicht laufen? Kann sie essen? Ist sie alt? Kann sie wirklich nicht laufen? Nimmt sie Medikamente? Kann sie wirklich nicht laufen? (Obwohl ich ihr schon auf die zweite Frage mit dem Laufen antwortete, dass sich dieser Zustand trotz mehrmaliger Fragerei nicht ändern würde.)

Jetzt bestand sie darauf, dass wir in diesem Fall das Medische Formular (wie sie es mehrmals nannte) ausfüllen. Sie könne es mir per E-Mail zuschicken. Woraufhin ich sie darauf hinwies, dass wir hier in den Ferien seien und weder Internet, Drucker noch Arzt dabei hätten. Ihre Kollegin habe mir vor dem Hinflug versichert, nichts weiter unternehmen zu müssen. Sie solle dies daher auch so in die Wege leiten. Nachdem sie mich mehrmals ungefragt in die Warteschlaufe legte, um bei einer weiteren Person nachzufragen, habe ich während einer sehr langen Warteperiode und bereits fast halbstündigen Gesprächsdauer aufgehängt.

Für den Rückflug haben wir uns etwa 3 Stunden vor Abflug beim Check-in Schalter der Swiss gemeldet. Und feststellen müssen, dass der Anruf wenig genützt hatte. Weder sei es möglich, einen Onboard-Rollstuhl zu erhalten, der im Flugzeug bleibt, noch einen vorteilhafteren Sitzplatz zu erhalten. Immerhin hat die freundliche und hilfsbereite Dame angeboten, uns in die hinterste Reihe und damit nahe der Toilette zu platzieren. Die Flugbegleiter würden dann schon helfen, wenn meine Frau diese aufsuchen müsse.

Auch der Einstieg ins Flugzeug gestaltete sich in London Heathrow als sehr angenehm. Mit dem schmalen Rollstuhl wurde meine Frau ins Flugzeug gebracht, noch bevor die übrigen Passagiere das Flugzeug betreten konnten, und ich konnte sie in aller Ruhe auf ihren Platz bringen. Weniger Freude hatten wir ob der einstündigen Verspätung beim Abflug. Ungefähr alle Passagiere gingen während der Wartezeit zur Toilette, nur für meine Frau war dies nicht möglich. Auch wenn wir es bis dort geschafft hätten, so wäre es in der Toilette viel zu eng gewesen, um darin zurecht zu kommen. Später habe ich auch gelesen, dass die Flugbegleiter entgegen der Aussage der Schalterdame überhaupt nicht helfen dürfen.

In Zürich wurden wir dann wieder mit dem eiskalten Transportwägeli abgeholt. Nach der Gepäckrückgabe und dem Zoll und vor der Heimreise wollten wir dann endlich das WC aufsuchen. Und konnten keine behindertengerechte Toilette mehr finden. Selbst die Dame am Infoschalter (gegenüber der Passerelle) wusste auf Anhieb nicht weiter und hat uns an den falschen Ort geschickt – was wir natürlich erst beim Gang einmal rund um den Galerie-Bereich vor den WC-Anlagen festgestellt haben. Auf eigene Faust haben wir dann eine Etage tiefer ein Behinderten-WC gefunden. Dieses war jedoch nicht mit einem separaten Eingang ausgestaltet, sondern befand sich innerhalb des Frauen-WCs. Was für mich als männliche Begleitperson bzw. für die sonstigen WC-Besucherinnen sehr unbehaglich ist.

Generell haben wir hier feststellen müssen, dass die Schweiz neben dem behindertenfreundlichen England geradezu behindertenfeindlich ist. Im Vereinigten Königreich existiert in jedem einzelnen Restaurant und in allen öffentlich zugänglichen Gebäuden (gesetzlich angeordnet) eine Behindertentoilette mit separatem Eingang und Notrufmöglichkeit. Dort wird man als gehbehinderte Person wie ein normaler Mensch behandelt, während man in der Schweiz das Gefühl erhält, eine Last zu sein.

Zusammenfassend halte ich fest, dass wir weder mit den Leistungen der Swiss noch des Flughafens Zürich zufrieden sind. Wir empfehlen beiden nachdrücklich, die Situation für Gehbehinderte zu verbessern (bzw. weniger schlecht zu gestalten).

Für die entstandenen Umtriebe aufgrund der Buchungsfehler seitens der Swiss für Hin- und Rückflug sowie die erlittene Demütigung und schmerzhafte Behandlung beim Einsteigen ins Flugzeug in Zürich erwarten wir von der Swiss die Ausrichtung einer angemessenen Entschädigung sowie die Übernahme der Telefonkosten für die erfolglosen Anrufe aus London (Rechnung noch ausstehend).

Um Antwort wird gebeten.

Mit freundlichen Grüssen“

In einem Standardbrief antwortete Swiss sinngemäss:

„Wir erhalten ständig so viele Reklamationen, dass wir aufgehört haben, sie zu lesen. Hier erhalten Sie einen 100 Fr.-Gutschein für Ihren nächsten Flug mit Swiss.“

Der Flughafen Zürich schrieb:

„Wir beziehen uns auf Ihr Schreiben vom 4. März 2010 und möchten Ihnen nochmals danken, dass Sie sich Zeit genommen haben, uns von Ihrem Erlebnis am Flughafen Zürich zu berichten. Wir bedauern ausserordentlich, dass Sie und Ihre Frau die beschriebenen Unannehmlichkeiten während Ihrem Aufenthalt und Ihrer Reise in Kauf nehmen mussten. Dies entspricht keineswegs der Dienstleistungsqualität, welche wir unseren Passagieren am Flughafen Zürich bieten möchten.

Leider haben wir keinen Einfluss auf die Serviceleistungen der Fluggesellschaften. Deshalb überlassen wir die Stellungnahme bezüglich dem Service an Bord und der Swiss-Hotline der Swiss Air Lines, welche Sie richtigerweise bereits direkt angeschrieben haben.

Der Service des Flughafens Zürich beschränkt sich auf den Weg vom Check-in bis zum Flugzeug. Sie beanstanden in Ihrem Schreiben, die Transportfahrzeuge für Passagiere mit reduzierter Mobilität, die kühle Temperatur bei der Beförderung und die unachtsame Handhabung der Betreuungspersonen. Wir bedauern Ihre Erfahrungen. Wir sind bestrebt, dass unser Partner Careport, die am besten geeigneten Fahrzeuge wählt, haben aber leider nur einen begrenzten Einfluss auf dessen Wahl. Da die Fahrzeuge in unregelmässigen Abständen benutzt werden und im Freien stehen, reicht meist die Zeit nicht aus, dass diese bis zur Beförderung der Passagiere genügend warm werden. Im Winter kann dies leider häufiger vorkommen. Wir bitten Sie um Verständnis.

Wir haben Ihre Erfahrungen in Bezug auf die unsittlichen Berührungen der Betreuungspersonen an die zuständigen Verantwortlichen zur Kenntnisnahme weitergeleitet. Auch Sie bedauern diesen Vorfall und möchten Ihnen versichern, dass es absolut nicht in der Absicht der Betreuer war, Ihre Frau zu demütigen. Sie werden zukünftig vorsichtiger sein bei der Platzierung der Passagiere.

Gerne möchten wir Sie an dieser Stelle darüber informieren, dass der Flughafen Zürich mehrheitlich Behinderten-Toiletten mit separatem Zugang hat. Leider gehört die Toilette in der Ankunftshalle 2 nicht dazu. Bedauerlicherweise fehlt hier auch die Beschilderung, dass es sich um eine behindertengerechte Toilette handelt. Wir haben diesen Missstand an die zuständigen Verantwortlichen weitergeleitet, welche sich umgehend darum kümmern werden.

Rückmeldungen schätzen wir sehr, denn Sie helfen uns, die Bedürfnisse unserer Passagieren und Kunden besser kennen zu lernen und wo möglich Optimierungsmassnahmen durchzusetzen. Vielen Dank, dass Sie uns die Gelegenheit gegeben haben, zu Ihrer Kritik Stellung zu nehmen.

Wir hoffen, dass wir Sie und Ihre Frau nichtsdestotrotz bald wieder am Flughafen Zürich begrüssen dürfen und dass Ihre zukünftigen Aufenthalte von positiveren Erfahrungen geprägt sein werden.

Freundliche Grüsse

Marketing Communication
Manager Customer Relations“

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