Steg statt Behindertenlift beim Bärenpark?

Langsam wird’s konkret. In der Stadtratssitzung vom 31. März 2011 sind gleich mehrere Geschäfte zum hindernisfreien Zugang zum Bärenpark traktandiert. In der Berner Zeitung vom 18. März 2011 ist nun ein neuer Vorschlag zu lesen: Steg statt Behindertenlift beim Bärenpark. Die CVP-Stadträtin Béatrice Wertli hat vorgeschlagen, den unteren Teil der Anlage vom Mattequartier her mit einem Steg über die Aare zu erschliessen.

Das finde ich keine gute Alternative. Ich schreibe Ihr:

„Sehr geehrte Frau Wertli

In der BernerZeitung vom letzten Freitag habe ich gelesen, dass Sie einen Steg über die Aare anstelle eines Hanglifts vorschlagen. Ich erlaube mir, Ihnen meine Meinung als direkt Betroffenem dazu mitzuteilen: Ich finde es keine gute Alternative. Dies aus folgenden Gründen:

Der Bärenpark besteht – abgesehen von der Treppe – aus einem oberen und einem unteren Teil. Der obere Teil ist mit dem Rollstuhl zugänglich, aber nicht der untere Teil. Mit einem Steg über die Matte wäre zwar der untere Teil zugänglich, der obere aber nicht mehr. Denn dafür müsste die gehbehinderte Person wieder zurück über den Steg und entweder über Nydeggstalden (zu steil) und Nydeggbrücke oder über die Untertorbrücke und den Klösterlistutz (ebenfalls zu steil), um zum oberen Teil zu gelangen.

Beides ist „zu Fuss“ also nicht machbar, sondern man müsste ins Auto umsteigen, um zum oberen Teil zu fahren. Was aber zu nichts führt, weil man hier nirgends parkieren kann, auch nicht in der Nähe von Bus 12-Haltestellen – dies habe ich bereits gegenüber dem Gemeinderat Bern und den Verkehrsplanern der Stadt bemängelt, eine gute Lösung ist aber nicht möglich.

Gut fände ich den Steg hingegen nicht alternativ zum Behindertenlift, sondern kumulativ. Am unteren Ende des Klösterlistutzes und im Matte-Quartier existieren mehrere Behindertenparkplätze, von denen her der untere Teil des Bärenparks über einen Steg gut erreichbar wäre. Nun braucht es aber nach wie vor den Behindertenlift, um zum oberen Teil zu gelangen. Mit beidem – oder anstelle des Stegs einem Durchstich des Brückenpfeilers, wie er auch vorgeschlagen war – wäre  dann wirklich der ganze Bärenpark für Gehbehinderte zugänglich.

Mit freundlichen Grüssen“

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Kurz darauf erhalte ich von Frau Wertli eine Antwort. Schnell entwickelt sich eine Diskussion und merken, dass Steg UND Behindertenlift eine tolle Lösung wäre.

„Sehr geehrter Herr Schneider,

Danke für Ihre E-mail. Ich sehe es so: Auslöser für meine Überlegungen war tatsächlich die Berichterstattung rund um den Behindertenlift – und ich habe mir Gedanken gemacht, ob sich nicht etwas machen liesse, von dem alle – und nicht nur die Behinderten – profitieren. Dies zumal ich – also Mutter von zwei Kindern zwischen 0 und 2 Jahren – regelmässig mit dem Kinderwagen unterwegs bin und mir auch schon einen Steg vom Mattequartier zu den Bären gewünscht hätte. Kurzum: Ein Mattesteg wäre eine Bereicherung für das Quartier und das Erholungsgebiet rund um den Bärenpark. Für mich ist klar, dass ich in jedem Falle von der Nützlichkeit eines Mattenstegs überzeugt bin; die Verbindung mit der Behindertentauglichkeit des Bärenparks hätte meines Erachtens halt auch die Realisierungschancen des Stegs erhöht, und er wäre wohl schneller erstellt worden.

Wenn Experten aber zum Schluss kommen, dass ein solcher Steg die gesetzlichen Erfordernisse an die Behindertentauglichkeit nicht erfüllen, so bin ich die Letzte, die das in Zweifel zieht; denn dafür fehlt mir schlicht das Fachwissen. Kurzum: Ich kann Ihre Argumente sehr gut nachvollziehen – und freue mich darüber, dass sie aber trotzdem im Mattensteg ebenfalls einen Nutzen für die Behinderten sehen. Schön wäre, wenn Ihr Einsatz (wie meiner) nun zu einem „sowohl als auch“ statt zu einem „entweder-oder“ führen könnten! Und wer weiss: Vielleicht findet sich sogar eine Möglichkeit, auch bei der Behindertengerechtigkeit einen Zusatznutzen zu erzielen – der Durchstich wäre wohl eine solche Möglichkeit. Allerdings fürchte ich, dass der Heimatschutz uns hier einen Strich durch die Rechnung machen könnte…

Mit besten Grüssen und Dank für Ihr Engagement

Béatrice Wertli“

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„Sehr geehrte Frau Wertli

Herzlichen Dank für Ihre Antwort und die Erläuterungen. Ich bin ganz Ihrer Meinung: Ein Mattesteg wäre wirklich eine Bereicherung für das Quartier und das Erholungsgebiet rund um den Bärenpark. Oder allenfalls ein Durchstich des Brückenpfeilers, um jedenfalls auf die andere Seite der Aare zu gelangen, ohne den mühsamen Umweg „oben herum“ machen zu müssen.

Ich freue mich, dass wir beide am selben Strick ziehen. Vielen Dank für Ihre Unterstützung. Ich stimme Ihnen zu, dass jede Lösung, die nicht nur einen Vorteil für Gehbehinderte, sondern auch für die restliche Bevölkerung mit sich bringt, noch mehr Chancen hat, wirklich umgesetzt zu werden.

Aber auch beim Heimatschutz bin ich Ihrer Meinung. Der ist vielfach zu unflexibel. – Vor ein paar Wochen waren wir in England in den Ferien und haben in Canterbury die berühmte Kathedrale besucht, die im 11. Jahrhundert erbaut wurde. Und selbst da wurde – an versteckter Stelle – ein hochmoderner Lift eingebaut, um Gehbehinderten uneingeschränkten Zugang zu allen Räumen zu ermöglichen. Sicherlich musste auch dieser von einer ähnlichen Behörde bewilligt werden. Da sollte also auch bei einer simplen, viel neueren Brücke etwas machbar sein.

Auf jeden Fall bin ich auf den Ausgang der Stadtratssitzung vom 31. März gespannt.

Einen schönen Tag und beste Grüsse

Thomas Schneider“

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„Sehr geehrter Herr Schneider

Herzlichen Dank für Ihre Rückmeldung. Ich freue mich, dass wir uns hier in einer Meinung wiederfinden. Genau das schätze ich an meiner politischen Arbeit: den Austausch mit Menschen.

Ich gratuliere Ihnen zu Ihrem Blog – finde es toll, dass Sie sich so engagieren.

Über eine Veröffentlichung meiner Antwort würde ich mich sehr freuen.

Beste Grüsse

Béatrice Wertli“

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