Niemand soll draussen bleiben – Wie gut sind die Basler Museen auf behinderte Menschen eingestellt?

Im Programmheft zur Basler Museumsnacht 2014 weisen die Organisatoren auf Anlässe hin, die für Behinderte erfahrbar sind, und listen Sonderdienstleistungen wie Rollstuhltransporte und Führungen in Gebärdensprache auf. Doch wie gut sind Basler Museen tatsächlich auf die Bedürfnisse dieser Klientel eingestellt?

Hinweis: Dieser Text von Nick Joyce erschien als Zeitungsartikel in der BaslerZeitung vom 16. Januar 2014. Vielen Dank dem Autor und der BaslerZeitung für die Genehmigung, den Beitrag im Rollstuhlblog.ch wiedergeben zu dürfen. Die Informationen sind natürlich auch nach der Museumsnacht noch aktuell.

Als Betroffener weiss ich, dass Stresspegel und Frustpotenzial schon an der Museumskasse ansteigen können. Wenn man die Eintrittspreise nicht von einer Tafel ablesen kann oder das Personal undeutlich
spricht, können Seh- und Hörbehinderte das nötige Kleingeld nur langsam abzählen; während die Schlange hinter ihnen länger wird, kommen sie rasch ins Schleudern. «Für die meisten Menschen ist der Kontakt mit Behinderten Neuland, darum ziehen sie sich davor zurück», sagt die hörbehinderte Gestalterin Lua Leirner. «Dabei sind Blickkontakt und Zeit für ein Gespräch wichtig, damit Vertrauen aufgebaut werden kann.»

Gehbehinderte müssen sich mit anderen Problemen herumschlagen. Auf dem Weg zum Eingang gibt es oft steile Treppen, die Ausstellungsräume sind häufig auf verschiedene Etagen verteilt, rollstuhlgängige Toiletten müssen zuerst geortet werden. So sah sich der gehbehinderte Polygraf, Künstler und Musiker Silvio Grimm schon mit Zugangsrampen konfrontiert, die für seinen Elektro-Rollstuhl zu eng oder zu steil waren, in einigen Häusern müsste er in einen Handrollstuhl umsteigen, «was für mich mit sehr
viel Schmerz verbunden wäre», sagt er.

Dabei geben sich die Häuser grosse Mühe, ihre Sammlungen den Behinderten zugänglich zu machen. Im Kunstmuseum können Rollstuhlfahrer auf Anfrage mit Begleitung im Warenlift hochfahren. Beim Antikenmuseum oder bei der Kunsthalle Basel muss man für diesen Service Innenhöfe und Aussenplätze überqueren. Immerhin wird man nicht aussen vor gelassen. Genaueres zu diesen und anderen Angeboten erfährt man auf der Internet-Plattform zugangsmonitor.ch. Dort hat der Behindertenverband Procap relevante Informationen über 1000 Kulturhäuser in der ganzen Schweiz zusammengetragen.

Wachsende Sensibilisierung

Allgemein stellen Behindertenverbände und Betroffene eine wachsende Sensibilisierung für ihre Anliegen fest. Tatsächlich diskutieren die Basler Museen das Thema Behinderung und Zugang in einer Arbeitsgruppe mit der Abteilung Kultur im Präsidialdepartement und dem Gleichstellungsbüro für behinderte Menschen. Sie laden Betroffene an ihre Sitzungen ein, damit nicht an ihren Bedürfnissen vorbeigeredet wird.

Trotzdem stehen die Konzepte und Visionen der Kuratoren und Ausstellungsmacher oft im Gegensatz zur Zugänglichkeit. So mögen die harten Lichtkontraste im Ägyptensaal des Antikenmuseums ansprechend und ausgeklügelt sein, auf sehbehinderte Menschen können solche Schattenspiele aber irritierend wirken. Hörbehinderte Menschen fühlen sich indes ausgegrenzt, wenn sie in einer Ausstellung auf Filme und Videos ohne Untertitel treffen.

Dabei wird die Palette an möglichen Lösungen immer breiter. Lua Leirner erinnert an die grosse Einstein-Ausstellung im Historischen Museum Bern, wo man per Touchpad eine Führung in Gebärdensprache
abrufen konnte. In grossen Häusern wie dem Kunstmuseum Basel geben sogenannte Audio Guides Sehbehinderten die Möglichkeit, sich autark und vor allem vor Ort über eine aktuelle Ausstellung zu informieren.

Solche Angebote sind arbeitsintensiv und kostspielig, kleine Häuser mit häufig wechselnden Ausstellungen könnten sich so etwas schwerlich leisten, sagt Jan Karnofsky, der bei der Kunsthalle Basel für die Medienarbeit zuständig ist. Ella van der Meijden, Leiterin der Skulpturhalle Basel, bestätigt, dass Audio Guides aus logistischen und finanziellen Gründen oft aus dem Budget einer Ausstellung fliegen. «Gleichzeitig steigt der Druck auf uns, Audio Guides anzubieten, weil das Publikum diese Dienstleistung von grossen Häusern gewohnt ist.»

Dicke Wände – kein Netz

Heute können sich behinderte Menschen Infos aus dem Internet besorgen, während sie durch eine Ausstellung schlendern. Vorausgesetzt, dass die Bauweise des Hauses den freien Netzzugang erlaubt. Im Antikenmuseum sind die Wände besonders massiv, sagt Annegret Schneider vom Ressort Bildung und Vermittlung, darum funktioniere das hauseigene WLAN-Netzwerk noch nicht durchgängig, das allen Besuchern gratis zur Verfügung steht.

In Zeiten knapper Ressourcen sind viele Häuser enttäuscht, dass ihre auf behinderte Menschen zugeschnittenen Angebote nicht reger genutzt werden. Ella van der Meijden hält in der Skulpturhalle zwar Spezialhandschuhe bereit, mit denen Sehbehinderte die Exponate ertasten können, stellt aber ein geringes Interesse an diesem Service fest. Lua Leirner, die im Museum der Kulturen Führungen in Gebärdensprache gibt, bestätigt, dass der Andrang der Hörbehinderten schwankend ist. «Das mag vom Thema abhängen. Oder von der Tatsache, dass man die Leute schlecht erreicht, die von solchen Angeboten profitieren würden.»

Über einen Newsletter versucht zugansmonitor.ch die Vermittlungslücke zu schliessen. Regelmässig informiert Projektleiterin Rahel Rohrer von Procap über aktuelle Sonderangebote. Zurzeit auch über jene, die im Rahmen der Museumsnacht programmiert sind. Bei diesem Anlass gibt es eine einfache Faustregel: Wer die Museumsnacht geniessen will, der kommt während der Randzeiten. Dann sind die Museen nicht überfüllt und das Personal hat Zeit durchzuatmen. Dieser kleine Schritt kann Stresspegel und Frustpotenzial deutlich senken – für alle Beteiligten.

Musikredaktor Nick Joyce ist seit seinem elften Lebensjahr sehbehindert.
www.zugangsmonitor.ch

Hürden aller Art. Trotz zum Teil knappen Ressourcen helfen die Museen Hörbehinderten wie Lua Leirner, Gehbehinderten wie Silvio Grimm oder Sehbehinderten wie Nick Joyce (von links) nach Möglichkeit weiter. Foto Dominik Plüss
Hürden aller Art. Trotz zum Teil knappen Ressourcen helfen die Museen Hörbehinderten wie Lua Leirner, Gehbehinderten wie Silvio Grimm oder Sehbehinderten wie Nick Joyce (von links) nach Möglichkeit weiter. Foto Dominik Plüss

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