Im Rollstuhl ins renovierte Casino Bern
Ins Konzert, an einen Vortrag oder einfach zum Essen oder in die Bar: Nach langer Umbauzeit eröffnet das renovierte Kultur-Casino Bern unter der Leitung von Ivo Adam seine Türen wieder. Am Tag der offenen Tür haben wir einen Blick hinein geworfen. Drinnen ist es wunderschön und vieles ist toll. Und trotzdem haben wir beim Verlassen gemischte Gefühle.
Menschen im Rollstuhl gelangen über eine neue Rampe zur Eingangstüre des Casino. Dafür wurde der Boden entlang der Wand erhöht. Die Rampe erscheint sehr schmal. Der nach oben leicht überstehende Metallrand dient mehr dazu, den Rand der Rampe erkennen zu lassen, als ein Abstürzen zu verhindern. Gerade breite elektrische Rollstühle kommen hier gefährlich nahe an den Rand. Schade, dass der Boden nicht gleich auf der ganzen Breite des Zugangs angehoben wurde.
Nachtrag: Die Rampe ist 83 cm breit.
Dann führt der Weg über einen breiten Schmutzfänger. Der Teppich zieht Rollstuhlräder extrem zur Seite. Hier ist ein kurzer Effort nötig, um gerade – oder überhaupt – bis auf den Plattenboden zu gelangen.
Einmal drinnen kommen wir erstmal aus dem Staunen nicht mehr heraus. Der Empfangs-Desk, der Plattenboden, die Säulen, die Lampen und das dunkle Holz überall. Alles sieht wirklich edel aus und wirkt toll.
Mit dem Glaslift beim Eingang gelangen Besucherinnen und Besucher im Rollstuhl nach oben. Im ersten Stock befinden sich der Burgerratssaal und die Parkett-Ebene des Grossen Saals, im zweiten Stock die Galerie. Die Toiletten sind auf den jeweiligen Stockwerken sowie im Untergeschoss angesiedelt.
Im Grossen Saal gibt es insgesamt neun Rollstuhlplätze. Das ist eine gute Menge. Aber es ist schade, dass sich alle nur auf der unteren Ebene (Parkett) befinden. Denn von der Galerie haben Besucherinnen und Besucher einen grossartigen Blick auf die Bühne. Mit dem Rollstuhl gelangt man hier oben gegenüber der Bühne zwar durch drei Türen in den Saal und zur hintersten Sitzreihe, und hier hätten links und rechts und auch in der Mitte mehrere Rollstuhlplätze vorgesehen werden können, aber das Casino-Team hat sich dagegen entschieden. «Wir wussten nicht recht, ob wir das wegen dem Denkmalschutz dürfen oder nicht. Deshalb haben wir nichts an der Sitzkonfiguration geändert», erklärt uns eine Mitarbeiterin. Ich verstehe bei dieser Aussage nur: «Wir haben uns nicht darüber informiert.»
Im ersten Stock sind die Türen geschlossen. Es laufen bereits Proben für den Abend. Uns bleibt deshalb nur, die Rollstuhlplätze auf dem Sitzplan im Internet zu betrachten. Es handelt sich um die Plätze mit einem dunkelgrauen Quadrat ganz rechts aussen sowie in der hintersten Reihe. Die Plätze können (wie leider fast überall üblich) nur per E-Mail und telefonisch gebucht werden, während alle anderen Besucherinnen und Besucher ihre Plätze auch über das Internet kaufen können. Und es fehlen weitere Informationen wie Preise oder die Regelung bezüglich Begleitpersonen. Immerhin ist auf der Bestell-Webseite zu lesen: «Für einen Grossteil unserer Veranstaltungen gibt es für AHV und IV Bezüger (…) eine Ermässigung.»
Dann schauen wir uns die WC-Situation an. Da es auf der Galerie keine Rollstuhlplätze gibt, ist hier auch keine rollstuhlgängige Toilette zu finden. Auf der Parkett-Ebene im 1. Stock gibt es im Bereich der Bühne auf der linken Seite ein eher kleines Rollstuhl-WC, und zwei weitere, grössere im Untergeschoss. Es ist toll, dass diese einen gespiegelten Grundriss haben, d.h. auf dem einen transferiert man nach links, auf dem andern nach rechts. Die Toiletten verfügen über ein gut unterfahrbares Waschbecken. Die Türen können normal geöffnet werden, d.h. auch ohne Eurokey. Leider fehlt eine Alarmleine oder ein Alarmknopf in Bodenhöhe, die im Falle eines Sturzes betätigt werden können, um nach Hilfe zu rufen. Ziemlich ärgerlich ist auch der für Rollstuhlfahrer zu hoch angebrachte, nicht kippbare Spiegel.
Nachtrag beim erneuten Besuch: Der Spiegel ist kippbar, aber er wurde falsch herum angebracht. Wir haben das Casino informiert.
Ebenfalls im Untergeschoss befinden sich die übrigen WC-Anlagen. Das Damen-WC hat einen grossen Vorraum mit Sitzgelegenheiten und mehreren grossen Spiegeln. Die beiden Stufen hinunter stellen aber ein Problem dar. So ist die Frau links auf dem Foto gerade hinuntergestolpert, als wir den Blick hinein werfen. Hier fehlt ganz klar eine optische Markierung, um die Stufen erkennbar zu machen. Und Handläufe links und rechts für Besucherinnen, die zwar nicht im Rollstuhl sitzen, aber die trotzdem eine Gehbehinderung haben und für die Treppenstufen ein Hindernis darstellen.
Dann werfen wir noch einen Blick in die Bar und das Restaurant. Hier gefällt es uns sehr gut und auch die Speise- und Getränkekarten sind «aamächelig». Da kommen wir sicher wieder einmal hin, um einen Cocktail zu trinken oder etwas zu essen.
Die Tische im mittleren Teil des Restaurants eignen sich sehr gut für den Besuch im Rollstuhl. Der Platz ist sehr grosszügig und die runden Tische mit dem zentralen Tischbein und dem flachen Fuss lassen sich wunderbar unterfahren. Hier sind Gäste schön für sich und Menschen im Rollstuhl sind nicht im Weg.
Die Tische im Wintergarten zur Terasse hin stellen schon eher ein Problem dar. Die Füsse der einzelnen Tische ragen weit zur Seite hinaus und verhindern, dass Menschen im Rollstuhl nahe an den Tisch fahren können.
Der japanische Chefstisch im hinteren Teil des Restaurants ist leider überhaupt nicht rollstuhlgängig. Am Hochtisch kann man dem japanischen Meisterkoch beim Zubereiten von Sushi und anderen Gerichten zuschauen… aber im Rollstuhl sitzt man zu tief, um hier zu essen (die Tischplatte befindet sich ungefähr in Hals-Höhe).
Unser Fazit: Das umgebaute Casino ist sehr schön und einladend geworden. Wir kommen sicher erneut hierher. Trotzdem hätten wir uns auch Rollstuhlplätze auf der Galerie des Grossen Saals gewünscht, und dass auch Gäste im Rollstuhl am japanischen Chefstisch essen können. Die gesetzlichen Vorgaben werden zwar erfüllt, was aber nicht gleichbedeutend mit einem optimalen Zustand ist. So müssen gemäss der SIA-Norm 500 erst ab mehr als zwei Treppenstufen zwingend Handläufe vorhanden sein und der Eigentümer haftet sonst bei Unfällen. Für Menschen mit einer Gehbehinderung wären Handläufe auch bei den nur zwei Treppenstufen zum Damen-WC hilfreich, obwohl sie gesetzlich nicht vorgeschrieben sind.