Im Rollstuhl in den Circus Knie

Wie jedes Jahr gastiert der Circus Knie in Bern. Nach längerer Pause besuchen wir (zum ersten Mal im Rollstuhl) die Vorstellung. „Rollstuhlplätze müssen im Voraus reserviert werden“ und die Telefonnummer 0848 56 43 27 ist leider das einzige, was an Informationen für Rollstuhlfahrer auf der Circus-Webseite zu finden ist.

Wir müssen eine Viertelstunde vor Beginn bereitstehen und werden dann durch den Artisteneingang in die Arena geführt. Spannend, das mal so zu sehen! Dann aber wird’s weniger lustig: Der Mitarbeiter reisst mir den Rollstuhl förmlich aus der Hand und schiebt ihn über eine kleine Rampe die 10 cm-Stufe zu den Sitzreihen hinauf, ohne zu informieren, was abläuft. Daran haben wir überhaupt keine Freude. Ich gebe den Rollstuhl nicht gerne in fremde Hände. Vor allem aber auch, weil wir solche kleine Absätze locker selbst meistern.

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Auch jetzt hapert’s mit der Verständigung: Ich als Begleitperson könne nicht auf dem Klappsitz neben dem Rollstuhl sitzen, sondern muss auf dem Klappsitz hinter dem Rollstuhl sitzen. Worauf andere Veranstalter im Voraus speziell hinweisen und sich dafür entschuldigen, hört sich vom Mitarbeiter vorwurfsvoll an: Man habe schliesslich  die 1. Sitzreihe entfernen müssen, damit der Rollstuhl Platz hat. Deshalb, eben, 1 Rollstuhlplatz in der 1. Sitzreihe und 1 normaler Platz in der 2. Sitzreihe. Beim Ehepaar nebendran ist das anders: Hinter seinem Elektrorollstuhl bleibt gar kein Platz, so dass sie im Platz daneben sitzen darf. Das konnten die Verantwortlichen aber kaum im Voraus gewusst haben. Wo hätte sie sich hinsetzen können, falls dieser Platz anderweitig vergeben worden wäre? Ich könne gerne abwarten, meint der Angestellte, als er bemerkt, dass wir nicht zufrieden sind: Falls der Platz daneben frei bleibt, dürfe ich bei Vorstellungsbeginn umsitzen. Sehr grosszügig.

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Dann beginnt die Vorstellung, die wir mit gemischten Gefühlen erleben. Denn wir sehen häufig nur die Rücken der Artisten, da wir – neben dem Artisteneingang – uns eigentlich auf der Rückseite des Geschehens befinden. Und auch die Plätze in der vordersten Reihe sind nicht nur vorteilhaft: Bei den rasanten Nummern mit Pferden landet haufenweise Staub und Dreck auf uns. Bei dieser Nähe zur Arena hilft auch das Tablettli gegen die Tierhaarallergie nichts mehr.

In der Pause müssen wir auf uns aufmerksam machen, dass wir aufs WC wollen. Das ist beim streng durchorganisierten Ablauf eigentlich nicht eingeplant. Und es wird klar: Während die Vorstellung läuft, ist man als Rollstuhlfahrer hier gefangen. Denn hinter dem Artisteneingang macht sich immer schon die nächste Truppe bereit.

Wir sind also wieder draussen (dieses Mal nahm mir der Mitarbeiter den Rollstuhl richtig bösartig weg, obwohl ich darauf bestand, alles selbst zu machen) und schon stellt sich die Anschlussfrage: Wo ist denn hier eine Behindertentoilette? Zwar zeigen mehrere Angestellte in Richtung der WC-Wagen, doch hier suchen wir vergeblich nach einer Toilette, die man auch mit dem Rollstuhl benutzen kann.

Anstatt zurück ins Circuszelt machen wir uns also wieder auf den Nachhauseweg. Allergie, kein Rollstuhl-WC (ist das überhaupt legal?) und die rüpelhaften Umgangsformen bleiben leider mehr in Erinnerung als die Nummern der ersten Halbzeit, die uns grösstenteils gefallen haben. Hierher kommen wir so schnell nicht wieder.

Unser Fazit: Wir raten vom Besuch des Circus Knie im Rollstuhl ab.

2 Kommentare zu “Im Rollstuhl in den Circus Knie”

  1. Ich habe beim Zirkus Knie leider exakt die gleichen Erfahrungen gemacht. Zirkusbesuche von anderen Zirkussen in der Schweiz waren immer rollstuhlfreundlich. Der Zirkus Knie leider nicht. Es war mir sehr unwohl; ich fühlte mich gefangen und meine Begleitung konnte ich nicht ansprechen, da sie hinter mir sitzen musste. Spontane Zirkusbesuche sind unmöglich. Das Personal verstand zudem kein Deutsch und kein Englisch und war sehr ruppig und unfreundlich. Zudem war es sehr unangenehm, dass die Pferde und Elefanten so nahe kamen ohne, dass man ausweichen konnte. Ich werde in diesem Jahr wieder gehen, dass mir die selben Unannehmlichkeiten wieder bevorstehenden. Denn trotz Telefonat und E-Mail war es nicht möglich neben meiner Begleitung einen Platz zu reservieren. Ich werde also wieder alleine sitzen.

  2. Wir waren vor ca.15 Jahren das letzte mal mit Rollstuhl beim Zirkus Knie. Keine schöne Erinnerung. Jetzt wo es in unserer Nähe gastiert und der sympathische Sänger Bastian Baker auftritt wollten wir es nochmals wagen hinzugehen. Wir dachten nach so langer Zeit und mit neuem Zelt hätte sich etwas verändert. Leider nicht. Es ist immernoch alles beim alten. Die Plätze für Rollstuhlfahrer sind neben dem Artisten Eingang. Wir können nicht unsere Plätze selbst aussuchen. Fazit: Rollstuhlfahrer sind geduldet aber sicher nicht „herzlich willkommen“. Das Gäste sich wohlfühlen sollen gilt wohl nur für nicht behinderten.

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