Im Rollstuhl ans Sens Unik Konzert auf dem Bundesplatz
Nach 15 Jahren Absenz feiern Sens Unik auf dem Bundesplatz ihr Revival. Dieses Konzert wollen wir nicht verpassen! Doch geht das im Rollstuhl? Auf unsere Nachfrage hin schaffen die Organisatoren noch rasch einen Rollstuhl-Bereich.
Während drei Tagen organisiert «Bärn läbt» drei kostenlose Events auf dem Bundesplatz, angefangen mit einem Konzert von Sens Unik am 31. Juli, dem Nationalfeiertag am 1. August und der Bern Pride am 2. August. Wir freuen uns riesig auf das Sens Unik Konzert. Denn die Westschweizer Hip-Hop-Band hat sich vor 15 Jahren aufgelöst und trifft sich hier zum Kult-Revival. Frontmann Carlos Leal ist gerade wieder von Los Angeles zurück in die Schweiz gezogen.
Das wird sicher toll. Aber funktioniert der Konzert-Besuch im Rollstuhl? «Die Events auf dem Bundesplatz sind grundsätzlich barrierefrei zugänglich», lesen wir in den FAQ auf der Website. Super, doch was heisst das genau? Dass es möglich ist, im Rollstuhl auf den Bundesplatz zu gelangen, oder dass Menschen im Rollstuhl richtig berücksichtigt wurden? Immerhin ist das Thema «barrierefrei» bekannt.
Um Mitternacht, 21 Stunden vor Konzertbeginn, kontaktiere ich die Veranstalter idéeBERN und Bierhübeli und möchte wissen: Was meint die Info in den FAQ genau? Gibt es eine erhöhte Tribüne für Menschen im Rollstuhl, oder wenigstens eine reservierte Fläche ohne Leute davor und mit freier Sicht auf die Bühne? Von welcher Seite her begeben wir uns am besten zum Bundesplatz, um dorthin zu gelangen?
«Die Bühne ist vom gesamten Bundesplatz aus gut sichtbar.»
idéeBERN
Die erste Antwort landet um 10:30 Uhr in meiner Mailbox. Die Projektleiterin von idéeBERN schreibt mir: «Der Bundesplatz ist zugänglich und grundsätzlich eben. Der Zugang zum Bundesplatz wird heute Abend aus Sicherheitsgründen eingeschränkt und auf zwei Einlass-Stellen bei der Schauplatzgasse und dem Bärenplatz beschränkt. Einen separaten Bereich oder eine Plattform sind nicht vorhanden – die Bühne ist jedoch vom gesamten Platz aus gut sichtbar.»
Ja genau. Für Menschen ohne Rollstuhl ist die Bühne sicher vom gesamten Platz aus gut sichtbar.
Um 13:20 Uhr kontaktiert mich der Geschäftsführer des Bierhübeli von unterwegs: «Es wird vor Ort eine Zone für Rollstuhlfahrende geben. Diese ist jedoch nicht erhöht. Das Gelände ist Barrierefrei. Toiletten sind vorhanden.» Stimmt, die Toilettenanlagen in der Schauplatzgasse wurden bereits für die Frauenfussball-Europameisterschaft aufgestellt und beinhalten auch eine Behindertentoilette.
Kurz darauf meldet sich die Projektleiterin von idéeBERN nochmals mit dem Nachtrag: «Wir werden nun doch einen abgetrennten Bereich schaffen. Diesen finden Sie links von der Bühne neben dem Technikzelt.»
Dank dem Hinweis auf den Standort in der Nähe des Technikzelts finden wir den Rollstuhl-Bereich, der mit Absperrgittern geschaffen wurde. Denn nach dem Nachtessen im Breitenrain-Quartier treffen wir später als vorgesehen auf dem Bundesplatz ein und müssen erstmal danach suchen. Drei andere Menschen im Rollstuhl und ein paar Begleitpersonen warten hier bereits auf Sens Unik.
Obwohl sich der Rollstuhlbereich einigermassen nahe bei der Bühne befindet, wir schätzen ungefähr 25 Meter davon entfernt, ist im Rollstuhl sitzend halt nur der obere Teil der Bühne zu sehen. Freie Sicht gibt es nur auf die Rücken des Publikums vor uns. Immerhin können wir die Band gut hören und das Konzert geniessen.
Rollstuhlperspektive:
Perspektive der übrigen Besuchenden:
Das Konzert ist toll und fühlt sich an, als wären Sens Unik nie weg gewesen. Auch wenn Carlos Leal meint, er merke schon, dass er 15 Jahre älter ist. Und der Blick über den Bundesplatz bestätigt: Nicht nur die Bandmitglieder, sondern auch das Publikum ist in dieser Zeit 15 Jahre älter geworden. Zum Glück hält das aber niemanden davon ab, Spass zu haben.
Auch wir haben Spass. Und sind grundsätzlich dankbar, dass die Veranstalter so kurzfristig einen Rollstuhlbereich geschaffen haben. Denn die Absperrungen haben dafür gesorgt, dass wir genügend Platz hatten und nicht in der Menschenmenge untergingen. Aber wir verstehen nicht, wieso nicht von Anfang an ein abgesperrter Bereich für Menschen mit Behinderungen vorgesehen war. Uns scheint: Obwohl das Thema «barrierefrei» den Veranstaltern bekannt war – immerhin gab es eine FAQ dazu –, hat sich niemand weiter darum gekümmert. So wie das in der Schweiz allzu oft der Fall ist. Es kann ja nicht sein, dass erst an Rollstuhlfahrende gedacht wird, wenn jemand den Besuch im Rollstuhl ankündigt und nachfragt.
Als wir nach dem Konzert den Bundesplatz wieder verlassen, sehen wir mehrere weitere Rollstuhlfahrende im Publikum. Sie wussten nichts vom Bereich. Auch das ist natürlich eine Folge davon, dass der Rollstuhlbereich nicht eingeplant war und sein Standort deshalb nicht kommuniziert wurde.
Klar, das Konzert war kostenlos. Menschen im Rollstuhl dürfen deswegen trotzdem nicht vergessen gehen.