Im Rollstuhl ans neu konzipierte Gurtenfestival 2018

Dieses Jahr hat sich am Gurtenfestival einiges geändert. Das Festivalgelände ist neu doppelt so gross. Die Zeltbühne und die Waldbühne sind neu an einem anderen Ort, und endlich gibt es die von uns schon lange geforderten Rollstuhltribünen bei allen drei Bühnen. Damit sollte sich die Situation für Rollstuhlfahrer verbessert haben. Doch hat sie sich das wirklich? Wir haben das Gurtenfestival 2018 im Rollstuhl besucht und teilen hier unsere Eindrücke.

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Schwierige Informationssuche vor dem Festival-Besuch

Leider sind die Informationen für Gurtenfestival-Besucher im Rollstuhl immer noch gut versteckt. Sie sind auf der Gurtenfestival-Webseite innerhalb der Info-Seite unter dem Stichwort «Gehbehinderte Menschen / Rollstuhlfahrer» zu finden. Hier lesen wir, dass neu das Berner Rollstuhl-Fachgeschäft «hock ’n roll» mithilft, den Gurtenfestival-Besuch für gehbehinderte Menschen so unkompliziert wie möglich zu machen, mit befahrbaren Gehwegen zu allen Rollstuhltribünen und Betreung vor Ort. Es gibt Auflademöglichkeiten für elektrische Rollstühle und sogar eine mobile Rollstuhl-Werkstatt für Reparaturen vor Ort.

Zu den bereitgestellten Informationen gehört auch ein sehr hilfreicher Geländeplan für Rollstuhlfahrer. Dieser zeigt einen «geheimen» Weg zum neuen Standort der Zeltbühne, wo sich die Behinderten-WCs befinden und überhaupt wo das Festival-Bändeli abgeholt werden soll.

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Rollstuhlfahrer benötigen ein normales Ticket zum regulären Preis. Wer auf eine Begleitperson angewiesen ist, kann für sie ein ermässigtes Ticket beziehen. Das kann jedoch nicht im Internet gekauft werden, sondern ist nur beim Veranstalter erhältlich, der dazu per E-Mail kontaktiert werden muss. Weder die Höhe des ermässigten Preises ist ersichtlich, ob und wie der Bedarf an der Begleitperson nachgewiesen werden muss, noch wann das Ticket spätestens bestellt werden muss. Eine spontane Entscheidung wird so aber wohl nicht möglich zu sein.

Gut wäre ein eigener Navigationspunkt oder zumindest eine eigene Rubrik innerhalb der «Info»-Seite, auf der alle relevanten Informationen für Besucher mit einer Gehbehinderung zu finden sind.

Immer noch keine Parkplätze für Rollstuhlfahrer

Autofahrer müssen auf einer Wiese am Ortsausgang parkieren, was pauschal 40 Franken kostet. Spezielle Parkplätze für Rollstuhlfahrer sind hier nicht vorgesehen und es werden auch keine Plätze nahe des Eingangs dafür freigehalten. Sowieso wäre ein Verlassen des Parkplatzes über die steile Zufahrt ohne Hilfe nicht möglich. Die netten Gurtenfestival-Mitarbeiterinnen finden das ebenfalls unpraktisch und schlecht gelöst. Der Shuttle-Bus zur Talstation sei aber rollstuhlgängig, versichern sie.

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Die Veranstalter sehen vor, dass mitfahrende Rollstuhlfahrer zur Gurtenbahn-Talstation gebracht und dort ausgeladen werden dürfen. Dann muss aber jemand das Auto zum offiziellen Parkplatz fahren. Wer als Rollstuhlfahrer selbst mit dem eigenen Auto eintrifft, kann sich schlecht selbst ausladen und das Auto dann wegstellen.

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Wir plädieren schon lange dafür, einen Strassenabschnitt im Quartier nahe der Gurtenbahn-Talstation für Autofahrer mit einer Behinderten-Parkkarte zu reservieren. Schon jetzt parkieren hier regelmässig Festival-Besucher… und alle haben einen Einzahlungsschein der Polizei unter dem Scheibenwischer stecken (wegen Überschreiten der Parkdauer in der Blauen Zone). Ich hatte bereits damit begonnen, zusammen mit der (leider momentan handlungsunfähigen) Behindertenkonferenz Stadt und Region Bern und der zuständigen Gemeinde Köniz (fühlt sich nicht zuständig) eine solche Lösung zu finden und bleibe sicher weiter dran.

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Wir reisen immer mit dem Auto an und parkieren auf einem inoffiziellen Parkplatz nahe der Talstation, den ich nicht verraten möchte. Schliesslich möchten wir ihn selbst weiterhin benutzen. 😉

Ohne Anstehen in die Gurtenbahn

Rollstuhlfahrer dürfen die Warteschlange links liegen lassen und direkt den Ausgang der Gurtenbahn ansteuern. Anstehen würde auch kaum gehen, so steil wie hier die Strasse ist. Den Weg zur Talstation muss man sich wirklich verdienen. Ohne Motor und ohne Hilfe schaffen das wohl nur die wenigsten. Wie erwähnt darf man Rollstuhlfahrer aber auch hierher fahren und ausladen.

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Auch bei der Talstation müssen wir nicht warten. Der Sicherheitsmann winkt uns direkt zu durch und schon kommt die Gurtenbahn. Rollstuhlfahrer gelangen über eine kleine aber steile Metallrampe zur untersten Türe. Maximal drei Rollstühle haben im Abteil nebeneinander Platz.

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Oben geht’s dann durch die andere Türe wieder raus. Vom Parkieren zur Bergstation haben wir nur gerade zehn Minuten gebraucht. Das ist absolut rekordverdächtig!

Bändeliumtausch auf dem Berg

Die Gurtenfestival-Veranstalter raten Rollstuhlfahrern, ihre Bändeli erst oben abzuholen. Doch der Ansteh-Bereich zum «Bändelumtausch Berg», zur Hälfte auf dem Teer und zur Hälfte auf dem Gras, mit den nahe beieinander stehenden Absperrgittern scheint nicht sehr rollstuhlgängig zu sein. Zumindest die etwas breiteren elektrischen Rollstühle stossen sicher an die Beine der Absperrgitter.

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Der Umtausch von VIP- oder anderen Spezialtickets (wir wurden als Medien akkreditiert und mussten hier anstehen) erfolgt an Kassencontainern direkt beim Eingangsbereich. Die Container stehen am Hang und sind deshalb ausschliesslich über eine oder mehrere Stufen erreichbar. Hier geht es nicht ohne Begleitperson.

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VIP-Eingang ohne Eingangskontrolle

Rollstuhlfahrer dürfen den Eingang für VIPs, Medien und Mitarbeiter benützen. Wir werden nicht einmal für eine Eingangskontrolle angehalten. Das ist praktisch, denn auch hier geht es aufwärts. Den Rollstuhl festhalten und gleichzeitig die Tasche herzeigen ist nicht ganz einfach.

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(Un-)ebene Wege über das Festivalgelände

Sehr positiv fällt gleich der Kabelkanal auf. Der ist nicht mehr ein grosses Hindernis wie noch vor ein paar Jahren, sondern besteht nur noch aus einer flachen Rampe. Super gemacht.

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Die Wege über das Festivalgelände bestehen aber immer noch aus verschiedenen Untergründen. Die grossen viereckigen Platten sind kein Problem. Im unwegsameren Gelände kommen dann sechseckige Kunststoff-Elemente zum Einsatz, und wenn es ganz steil wird solche aus Metall, die am Boden verankert und miteinander verbunden werden. Wegen ihren vielen Vertiefungen sind diese für Rollstuhlfahrer besonders umwegsam. Hier fährt es sich auf dem Gras viel besser.

Der Übergang vom einen zum andern Untergrund ist häufig ein Problem. Und im unebenen Gelände gibt es zwischen den sechseckigen Elementen immer mal wieder Lücken und Spalten. Teilweise helfen über die Übergänge gelegte Platten oder dicke Gummimatten über die Lücken hinweg. Meistens klafft aber einfach Gras dazwischen hervor und man muss extrem aufpassen, um hier nicht mit einem kleinen Vorderrad in die Tiefe zu fallen oder steckenzubleiben. Bei den Anfängen und den Übergängen gibt es noch einiges an Verbesserungspotenzial.

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Bei der Rampe zum Migros-Stand (immerhin gibt es eine!) müssen Rollstuhlfahrer zuerst von den sechseckigen Kunststoffplatten aufs Gras und dann gleich auf die extrem steile Rampe wechseln, was beide Male mit einem Höhenunterschied verbunden ist. Hier gilt leider der Grundsatz: «Gut gedacht, schlecht gemacht».

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Zwei Behinderten-WCs, aber weniger praktisch

Das von der Stiftung Cerebral bereitgstellte Behinderten-WC befindet sich noch ungefähr am selben Ort wie früher, zwischen dem Haupteingang und dem VIP-Zelt.

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Die Türe ist abgeschlossen und es ist nicht ersichtlich, ob das WC gerade verwendet wird oder ob es nur zugeschlossen ist, weil eine Rot/Grün-Markierung fehlt. Es lässt sich nicht mit dem Eurokey öffnen, was mir völlig unverständlich ist. Ich wende mich auf jeden Fall noch an die Stiftung Cerebral, um den Grund dafür zu erfahren.

Update: Die Stiftung Cerebral antwortet, dass sie sich der Problematik mit den Toiletten bewusst sind und zurzeit zusammen mit ihrem Partner Toi Toi nach einer Lösung suchen.

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Früher befand sich gleich neben dem WC-Container das Sanitäts-Zelt, in dem ständig jemand sass und sofort mit dem Schlüssel gerannt kam. Das Sanitäts-Zelt befindet sich neu jedoch an einem ganz anderen Ort und hier gibt es nur noch ein Blatt mit der Information, dass sich der Schlüssel für das Behinderten-WC beim Betreuungspersonal bei der «hock ’n roll»-Tribüne befindet. Doch das Betreuungspersonal ist nur während Konzerten auf der Hauptbühne dort. Wir haben vorhin jedenfalls niemanden gesehen. Und jetzt müssen wir uns wieder dorthin zurückkämpfen, um dieses WC benutzen zu können? Ui, ist das schlecht gelöst.

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Ich will mich gerade beim «Roll-o-Fone» melden, als eine Sicherheitsfrau mit dem Schlüssel kommt. Sie sei beim VIP-Zelt und wir hätten ihr einfach sagen sollen, dass wir das WC benutzen möchten. Woher wir das denn wissen sollten, dass wir uns beim VIP-Zelt melden müssen, fragen wir, und erhalten zur Antwort: «Rollstuhlfahrer sind bei der Behindertentribüne und dort weiss man das.» Naja, beim zweiten Mal wissen auch wir es dann.

Übrigens erfüllt diese Lösung die Anforderungen des Behindertengleichstellung nicht, weil Rollstuhlfahrer nicht ohne fremde Hilfe (Schlüssel besorgen) in das Toilettenhaus gelangen können. Doch leider müssen wir noch gute fünf Jahre warten, bis wir uns wirklich auf das Gesetz berufen können. Hier muss unbedingt eine bessere Lösung gefunden werden. Diese kann am ehesten darin bestehen, dass ein Eurokey-Schloss eingebaut wird.

Der WC-Container selbst ist dafür besser wie früher. Er bietet mehr Platz, eine breite Sitzbank und sogar eine Dusche ist eingebaut. Das WC-Häuschen ist gut, auch wenn es immer noch ziemlich weit vom besten mobilen Behinderten-WC entfernt ist, das wir auf einem Festival in Wales angetroffen hatten.

Neu gibt es noch ein zweites Behinderten-WC in der Nähe der Zeltbühne. Da das Festival-Gelände neu viel grösser ist, war das auch unbedingt nötig.

Leicht anders bei der Hauptbühne

Die früher einzige Rollstuhltribüne bei der Hauptbühne befindet sich ein bisschen weiter oben als früher. Möglich macht das die Tatsache, dass alle Sponsoren-Bauten daneben verschwunden sind. Die Rampe ist deshalb einfacher zu befahren als früher, auch wenn ausgerechnet hier eine Platte über dem Übergang von den Metallplatten zu den sechseckigen Platten fehlt. Auf der Tribüne gibt es schön viel Platz und die Aussicht ist hervorragend, wenn auch halt ein bisschen weit weg von der Bühne.

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Von vorne ist die Rollstuhltribüne mit «hock ’n roll» angeschrieben und von hinten mit den Sponsoren. Dass es sich hier um eine Rollstuhltribüne handelt, auf der ausser Begleitpersonen keine anderen Festivalbesucher erlaubt sind, ist nirgends ersichtlich. So spazieren während Konzerten immer mal wieder Besucher hinein, die dann von den Helfern wieder herausgeschickt werden. Vielleicht wäre ein grösseres Hinweisschild hilfreich.

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Die Rollstuhltribüne liegt einigermassen weit von der Hauptbühne entfernt. Vom «Cosmodrome» weiter hinten her wummert der Bass. Scheinbar gibt’s hier und an zwei anderen Orten (dem «Super Super Super Mercado» und dem «Soundgarden») Musik, wenn sonst gerade nichts läuft. Während einem Konzert auf der Hauptbühne ist aber Ruhe. Das ist besser gelöst als früher, als häufig von der Waldbühne her noch ein zweites Konzert gleichzeitig zu hören war.

Gemütliche neue Waldbühne

Die Waldbühne steht neu etwa dort, wo sich früher die Zeltbühne befand, einfach senkrecht dazu. Sie macht einen sehr gemütlichen Eindruck. Schräg davor ist die EWB-Lounge zu finden, in der sich auch die Rollstuhltribüne befindet. Sie befindet sich in einer Ecke der Lounge und ist überhaupt nicht markiert. Hier sind Rollstuhlfahrer also häufig auf Sicherheitsleute angewiesen, um sich Platz zu verschaffen.

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Auf dieser Rollstuhltribüne gibt es nur wenig Platz. Maximal zwei Rollstühle können hier nebeneinander stehen. Daneben gibt es viel Stehplatz auf drei Ebenen für Leute in der Lounge. Hier wäre ein bisschen mehr Platz für Rollstuhlfahrer schön gewesen.

Treck zur neuen Zeltbühne – einmal und nie wieder

Die Zeltbühne befindet sich neu in der früheren Sleeping Zone, weit entfernt vom übrigen Festgelände. Das ist zu Fuss einigermassen direkt und nicht so schlimm, aber im Rollstuhl muss man einen riesigen Umweg fahren.

Gemäss dem Geländeplan für Rollstuhlfahrer gibt es zwischen den Essensständen neben der Hauptbühne einen Durchgang für Rollstuhlfahrer. Dieser führt über den geteerten Weg, so dass man sich nicht das steile Stück neben der früheren Zeltbühne hochkämpfen muss. Dieser Durchgang ist überhaupt nicht markiert. Hier kommt man zum Backstage-Bereich der Essensstände, an grossen Generatoren und parkierten Lieferwagen vorbei. Hier hinten herrscht ein reger Betrieb mit Mitarbeitern und Helfern und auf der geteerten Strasse müssen wir immer wieder einem Lieferwagen oder Personentransporter ausweichen.

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Über die geteerte Strasse gelangen wir zum Bereich, wo die Festival-Besucher die Strasse überqueren. Helfer links und rechts der Strasse stoppen mit einem Seil die Festival-Besucher, wenn ein Auto durchfährt. So auch gleich als wir kommen. Doch dann öffnen die Helfer den Weg direkt vor uns wieder und die Festival-Besucher strömen von links und rechts her vor uns durch.

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Hier könnten wir also auch nach rechts abbiegen, um zum oberen Teil mit der Waldbühne zu gelangen. Dafür ist der Umweg praktisch.

Wir folgen weiter der Strasse und gelangen abermals zu einem Bereich, in dem eigentlich keine Besucher erwünscht sind. Die vielen hier parkierten Privatautos werfen doch die Frage auf, wieso nicht auch Rollstuhlfahrer ausnahmsweise mit dem Auto bis hierher fahren dürfen. Dann folgt links das Sanitätszelt mit dem zweiten Behinderten-WC. Das ist wegen der Hanglage und den ungünstig platzierten sechseckigen Platten im Rollstuhl eigentlich gar nicht erreichbar. Hier hätte es unbedingt eine Rampe gebraucht, um das steilste Stück direkt neben der Strasse zu überwinden und direkt auf die Platten zu gelangen.

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Daneben steht die mobile Werkstatt von «hock ’n roll», doch das Zelt ist verschlossen und leider niemand weit und breit zu sehen für einen kleinen Besuch.

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Die Strasse führt immer weiter und weiter vom ursprünglichen Festival-Gelände weg und wird ziemlich steil. Auch der Geländeplan für Rollstuhlfahrer warnt davor, dass die Steigung hier 12% beträgt. Doch es ist der einzige Weg zur Zeltbühne, und so nehmen wir das wohl oder übel in Kauf. Hier fahren immer wieder Autos auf der schmalen Strasse an uns vorbei und ein Ausweichen ist schwierig. Denn zwischen den beiden geteerten Streifen für die linken und rechten Räder gibt es nur Schotter und teilweise einen rechten Höhenunterschied. Jetzt am Tag mag das ja noch gehen. Aber in der Nacht ist es hier stockdunkel und nicht beleuchtet. Das Unfallrisiko für Rollstuhlfahrer nimmt dann enorm zu.

Update: Scheinbar ist hier am Mittwoch tatsächlich ein Rollstuhlfahrer verunfallt und musste mit der Rega ins Spital geflogen werden. Das ist bisher aber nicht an die Medien gelangt. Wir wünschen dem Verunfallten auf diesem Weg gute Besserung. Die Situation MUSS also nächstes Jahr verbessert werden.

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Über die Strasse gelangen wir zum Lieferanten-Bereich der Zeltbühne. Auch hier existieren keine Wegweiser. Vermutlich muss man auch hier «einfach wissen», wo es durchgeht. Dann müssen wir warten, bis ein Sicherheitsmensch das Veloschloss aufschliesst, das die Absperrung geschlossen hält, die gleichzeitig auch Notausgang ist (hmm?). Wann wir denn wieder gehen möchten, fragt er. Er mache jetzt nämlich dann gleich eine halbe Stunde Pause.

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Hier gibt es Holzgitter, auf denen Rollstuhlfahrer zur Rollstuhltribüne und über das Gelände fahren können… oder zumindest in der Theorie. Denn die Brettchen der Holzgitter wechseln bei jeder Platte die Richtung und sind so weit auseinander angeordnet, dass wir mit den vorderen und den hinteren Rollstuhlrädern stecken bleiben. ACHTUNG: Versucht nicht, auf diesen Gittern in Längsrichtung zu fahren! Wer ohne Begleitperson unterwegs ist und stecken bleibt, kann sich ohne fremde Hilfe nicht mehr befreien.

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Wenigstens sind die Brettchen der Holzgitter zur Rollstuhltribüne hin quer zur Fahrtrichtung angeordnet. Auch diese Tribüne ist nicht angeschrieben. Sie befindet sich sehr nahe bei der Bühne aber ganz auf der Seite. Im Vergleich mit den anderen Rollstuhltribünen bietet sie wohl das beste Konzert-Erlebnis.

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Auch zum Essensstand am anderen Ende des Zelts ist es ein langer Weg. Wir kehren auf halber Strecke um, um auf das Hauptgelände zurückzukehren. Der weite Umweg mit der langen Steigung mit den 12% ist wirklich mühsam. Das ist nur etwas für elektrische Rollstühle, die mit ihren breiteren Rädern dann auch in den Holzgittern nicht steckenbleiben.

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Zur Zeltbühne kehren wir garantiert nie mehr zurück. Es ist zwar schön, dass die Veranstalter sie vermeintlich mit dem Rollstuhl erreichbar gemacht haben. In der Praxis ist der Weg im Handrollstuhl ohne elektrischen Antrieb aber kaum zu bewältigen.

VIP-Zelt

Wir werfen auch einen Blick in das VIP-Zelt um zu sehen, ob sich der Aufpreis für Rollstuhlfahrer lohnt. Und können gleich sagen: nein. Das fängt mit dem engen Eingangsbereich an, der neben Absperrungen und über eine grosse Lücke zwischen viereckigen und sechseckigen Platten abbiegt, die für Selbstfahrer fast unmöglich zu bewältigen ist.

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Immerhin gibt es eine Rampe zum VIP-Zelt, in dem sich viele Tische und Bänke befinden, an denen auch Rollstuhlfahrer Platz finden würden. Auch zu einer hinteren Terasse gelangen Rollstuhlfahrer. Doch sowohl der erste Stock mit der guten Aussicht zur Hauptbühne als auch der untere «Garten»-Bereich sind nur über Treppen erreichbar und damit für Rollstuhlfahrer unzugänglich.

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Essen und Cashless-Zahlung

Das Essensangebot wurde weiter ausgebaut. Neu kann nur noch bargeldlos mit der Cashless-Karte gezahlt werden. Das funktioniert sehr gut und wir teilen uns eine riesige Portion Fish & Chips.

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Aber wo essen? Es gibt zwar ein grosses Zelt mit Tischen und Bänken. Doch dieser Bereich ist nur über eine Stufe zu erreichen. Immerhin stehen daneben weitere Tische auf dem Gras. Aber am Ende jeder Tischreihe – üblicherweise der einzige Ort, an dem Rollstuhlfahrer Platz haben – klebt ein grosser Abfallsack. Zwar bringen alle Rollstuhlfahrer ihren eigenen Sitzplatz mit… aber es wäre halt schon schön gewesen, an einem Tisch zu essen.

Update: Ein paar Rollstuhlfahrer wissen sich zu helfen. Einer hat sich neben einen Abfallsack gequetscht, ein anderer hat den Abfallsack entfernt, um Platz zu finden, und die Freunde eines weiteren Rollstuhlfahrers haben einen Tisch hinausgetragen und aufs Gras gestellt.

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Menschen und Stimmung

Die Berner sind grundsätzlich gemütlich und hilfsbereit und die Stimmung auf Gurten ist super. Zwar bleiben die Leute oft auf den Plattenwegen stehen und blockieren den Durchgang. Auch Warteschlangen führen ab und zu quer über die Wege. In den meisten Fällen gehen aber alle zur Seite und ziehen ihre Freunde aus dem Weg, wenn wir kommen. Ein paar fragen auch, ob sie helfen können, als wir vor der Gurtenbahn warten. Und einer springt uns zu Hilfe, als wir vor der Bühne durchgehen und die Mitarbeiter direkt vor uns den Kabelkanal von vorne bis hinten aufgeklappt haben, vermutlich um ein Kabel zu ersetzen. Er klappt einfach ein Element wieder zu, so dass wir passieren können, und danach wieder auf. Merci!

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Aber wir merken wieder, wie übermässig stark die Schweizer rauchen. Als Rollstuhlfahrer ist man leider immer auf Zigarettenhöhe und bekommt mehr Rauch ab, als einem lieb ist.

Was mitnehmen?

Neben den üblichen Sachen fürs Festival (vor allem: genügend Wasser) steht auf unserer Packliste immer auch Servietten, eine Rolle WC-Papier und ein Drei-Bein-Hocker für die Begleitperson. So können Rollstuhlfahrer und Begleitperson auf gleicher Höhe sitzen und die Konzerte wirklich gemeinsam geniessen. Achtung: Nur Drei-Bein-Hocker sind erlaubt, Vier-Bein-Hocker sind verboten. Wir haben auch Leuchtstäbchen zum Knicken dabei, um den Rollstuhl im Dunkeln sichtbarer zu machen. Dieses Jahr haben sie aber nicht wirklich stark geleuchtet und eines ist ausgelaufen… für nächstes Jahr überlegen wir uns eine andere Beleuchtung.

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Fazit: Hat sich die Situation für Rollstuhlfahrer verbessert?

Die Organisatoren haben sich deutlich Mühe gegeben, die Festival-Besucher im Rollstuhl besser zu berücksichtigen. Und an vielen Orten hat das auch geklappt. Leider hat sich die Situation für Rollstuhlfahrer aber in einigen Belangen verschlimmbessert. Die Zeltbühne ist praktisch gesehen für Rollstuhlfahrer ohne elektrischen Antrieb nicht mehr erreichbar und die WC-Situation ist schlechter als früher.

Auch in Anerkennung der Bestrebungen der Veranstalter lautet unser diesjähriges Fazit: Der Gurtenfestival-Besuch im Rollstuhl ist empfehlenswert, solange die Zeltbühne ausgelassen wird.

Bei unseren Besuchen im 2011, 2016 und jetzt im 2018 hat sich das Gurtenfestival jedes Mal verbessert, was die Situation für Rollstuhlfahrer betrifft. Wir freuen uns auf eine weitere Optimierung.

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