WC für alle – Rollstuhlfahrer ausgeschlossen

Das Naturhistorische Museum Bern hat neu ein «WC für alle». Leider schliesst «alle» aber Menschen im Rollstuhl aus. Sie können die beiden Toiletten nicht benutzen.

Das Naturhistorische Museum hat Mitte Januar 2020 auf seiner Facebook-Seite mitgeteilt, dass es seit diesem Jahr im Erdgeschoss ein «WCs für alle» gibt. Damit will das Museum ein Zeichen für die Akzeptanz setzen. «Es gibt etliche Menschen, die sich nicht mehr in das binäre Geschlechtssystem hineinpressen lassen möchten», sagt der für Ausstellungen zuständige Mitarbeiter gegenüber 20 Minuten. Mit dem Unisex-WC machen sie auf die kommende Sonderausstellung über die Vielfalt der Geschlechter und die sexuelle Ausrichtung in Natur und Gesellschaft aufmerksam.

Dass gross «WC für alle» propagiert wird und gleichzeitig nicht an Menschen im Rollstuhl gedacht wurde, welche die Toilette nicht benützen können und damit ausgeschlossen werden, könnte die Situation von Menschen mit Behinderungen in der Schweiz nicht besser verdeutlichen.

Zwar befinde sich nebst den beiden geschlechterneutralen Toiletten im Erdgeschoss auch eine separate rollstuhlgängige Toilette, antwortet das Museum auf eine Frage auf Facebook (wenn auch nicht auf unsere zeitlich frühere Frage). Doch das ändert leider nichts an der Tatsache, dass beim Planen der Aktion Menschen im Rollstuhl nicht berücksichtigt wurden.

Korrekterweise hätte das Museum die Behindertentoilette als «WC für alle» deklarieren können, damit «alle» auch wirklich «alle» meint. Oder die normale Toilette einfach als «WC für alle Geschlechter».

Update 22. Januar 2020:

Das Naturhistorische Museum Bern nimmt wie folgt Stellung:

«Wir bedauern sehr, dass durch die Berichterstattung in den Medien der Eindruck entstanden ist, dass in unserem Haus Rollstuhlfahrende ausgeschlossen werden. Die WCs für alle befinden sich in unmittelbarer Nähe zur Behinderten-Toilette. Wir sind der Überzeugung, dass sich unsere rollstuhlfahrenden Besuchenden nicht ausgeschlossen fühlen, wenn sie die Situation vor Ort erleben. Zudem ist unser ganzer Haus barrierefrei und auf jedem Stock befinden sich Behinderten-Toiletten.»

Es geht jedoch nicht darum, ob das Museum eine Behindertentoilette hat oder nicht und wo sich diese befindet. Problematisch ist die Benennung des nicht rollstuhlgängigen WCs als «WC für alle», obwohl es – eben – nicht für alle ist. Und dass damit Menschen mit Behinderungen übergangen werden. Das ist einfach ziemlich unglücklich formuliert. Vielleicht wäre «WC für alle Geschlechter» oder «Unisex-WC» eine bessere Bezeichnung gewesen.

Update 30. Januar 2020:

Die für die Ausstellung verantwortliche Person hat Kontakt mit uns aufgenommen, um eine Lösung zu finden. Es sei keinesfalls in ihrem Sinne, dass sie ein Zeichen für eine Gruppe setzen, aber gleichzeitig eine andere ausschliessen. In diesem Sinne werden beide Toiletten – die rollstuhlgängige und die nicht rollstuhlgängige – mit «WC für alle» angeschrieben. Die Behindertentoilette, in der Nähe des anderen WCs gelegen, erhält dabei zusätzlich den Vermerk «barrierefrei und mit Wickeltisch».

2 Kommentare zu “WC für alle – Rollstuhlfahrer ausgeschlossen”

  1. Hätte das Museum die barrierefreie Toilette als „WC für alle“ deklariert, hätte es sicherlich einen Aufschrei gegeben, weil dann auch alle diese Toilette benutzen hätten können und Menschen beispielsweise mit Stoma oder mit Morbus Crohn, die zumindest hier in der BRD auch diese Toiletten nutzen dürfen, unter Umständen länger hätten warten müssen. Es gibt kein schwarz oder weiß, nur verschiedene Schattierungen von grau.

  2. Das stimmt sicher teilweise, Sabine. Vielen Dank für Deinen Kommentar. In der Schweiz sind Behindertentoiletten aber häufig gleichzeitig auch Familien-WC mit Wickeltisch und werden völlig selbstverständlich auch von anderen Leuten ohne Gehbehinderung gebraucht, weil sie so ein paar Meter weniger gehen müssen. Natürlich sind nicht alle Behinderungen sichtbar. In England, wo wir häufig unterwegs sind, steht das jeweils sogar an der Türe. Und in der Schweiz können Menschen mit Stoma oder chronischen Darm- oder Blasenerkrankungen ebenfalls einen Eurokey bestellen, mit dem sich Behindertentoiletten öffnen lassen, die über ein solches Schliessystem verfügen. Das Museum hätte die Toilette einfach als „Unisex-WC“ oder „WC für alle Geschlechter“ bezeichnen können, um klar zu machen, dass es für alle Geschlechter gedacht ist. Problematisch finde ich die getroffene Bezeichnung als „WC für alle“, während es eben nicht für alle ist, sondern Menschen im Rollstuhl davon ausgeschlossen sind.

Einen Kommentar verfassen