Die «netten Toiletten» auch für Rollstuhlfahrer erobern die Schweiz

Dank eines Berichts im «20 Minuten» habe ich vom Konzept der «netten Toiletten» erfahren. Bei diesem verpflichten sich Restaurants, Passanten ihre Toilette benutzen zu lassen, auch ohne dass diese etwas im Restaurant konsumieren. Als Gegenleistung erhalten sie von der Stadtverwaltung eine Entschädigung von 2’500 Franken pro Jahr, die so selbst auf den (viel teureren) Bau und Unterhalt von öffentlichen WC-Anlagen verzichten kann. Ausserdem gibt es einen positiven Werbeeffekt sowohl für die teilnehmenden Betriebe als auch für die Stadt. Profitieren können schlussendlich also alle.

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Das Konzept der «netten Toiletten» stammt aus Deutschland und ist dort schon weit verbreitet. Nun erobert es auch die Schweiz: Schon in neun Schweizer Städten gibt es mittlerweile «nette Toiletten».

Toll am Konzept ist, dass es auch aufzeigt, ob eine Toilette rollstuhlgängig ist oder nicht. In der Stadt Basel, die sich selbst als «Schweizer Spitzenreiter der netten Toiletten» rühmt, sind 13 der 31 Toiletten rollstuhlgängig. Das ist ja schon ziemlich viel – zumindest für die Schweiz, die immer noch grossen Nachholbedarf gegenüber anderen Ländern hat.

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Hier der schweizweite Vergleich:

Stadt Anzahl «nette
Toiletten»
davon roll-
stuhlgängig
Prozentsatz
rollstuhlgängig
Aarau 6 0 0%
Basel 31 13 42%
Bern 13 3 23%
Biel 9 5 56%
Glarus 3 0 0%
Luzern 19 6 32%
Nyon 7 5 72%
Solothurn 15 10 67%
Thun 19 11 58%

Stand: 18. Mai 2018

Findbarkeit verbessern

Im Moment ist es noch schwierig, an die Informationen zu gelangen. Nur fünf der neun teilnehmenden Schweizer Städte bieten die Angaben zu den «netten Toiletten» auf ihren Webseiten an (siehe Links in der Tabelle). Auch eine einheitliche Gestaltung der Flyer fehlt leider.

Primär können die «netten Toiletten» über eine Smartphone-App gefunden werden (Download für iPhones im Apple App Store oder für Android-Handys im Google Play Store). Eine Web-Version wird unter www.die-nette-toilette.de angeboten. Die Daten sind jedoch nicht aktuell bzw. die Städte Biel, Luzern, Nyon, Solothurn und Thun haben die Standorte ihrer «netten Toiletten» bisher noch nicht eingetragen.

Leider bleibt es aber auch bei den eingetragenen Toiletten schwierig, herauszufinden, welche davon rollstuhlgängig sind. Denn diese Information ist nur in der Listen-Ansicht aufgeführt und nicht in der Karten-Ansicht, bei der die App auf den eigenen Standort zugreifen und die Toiletten auf der Karte anzeigt. So nützt die App leider nur wenig. Denn gerade in fremden Städten sagt der Strassenname den Benutzern überhaupt nichts.

Verbesserungspotenzial vorhanden

Die App benötigt unbedingt einen Filter, mit dem man nur die rollstuhlgängigen «netten Toiletten» auf der Karte und in der Liste anzeigen lassen kann. Praktischerweise sollte die App auch Betriebe, die zum Beispiel wegen eines Ruhetags gerade nicht geöffnet haben, anders darstellen oder ausblenden.

Daneben sollten die Städte die Informationen zu den «netten Toiletten» sowohl auf ihren Webseiten besser aufführen, als auch den Initianten des «nette Toiletten»-Projekts melden, damit sie die Liste in der Smartphone-App ergänzen können.

Ich habe mich mit diesen Vorschlägen sowohl an die Initianten als auch an die bisherigen Schweizer Städte gewandt, die «nette Toiletten» anbieten.

Update: Die Initianten antworten mir, dass die empfohlene Filterfunktion bereits ganz oben auf ihrer Verbesserungsliste aufgelistet ist. Und sie schreiben: «Wir erkennen, dass dies einfach ein dringendes Feature ist, welches wir beim nächsten Update geändert haben möchten.» Super!

Mehr rollstuhlgängige «nette Toiletten»

Generell sollen die Städte die Schaffung neuer rollstuhlgängiger Toiletten fördern, vielleicht auch mit einem finanziellen Anreiz. Denn solange in der Schweiz ein griffiges Gesetz fehlt, werden Betriebe von sich aus keine Behinderten-WCs einbauen.

Für die Aufnahme von neuen Betrieben mit «netten Toiletten» sollen die Städte in erster Linie solche mit rollstuhlgängigen Toiletten anfragen. Gerade die Städte Aarau und Glarus, bei denen keine einzige der «netten Toiletten» von Menschen im Rollstuhl benutzt werden kann, haben hier Handlungsbedarf.

Auch mit diesem Anliegen habe ich mich an die teilnehmenden Städte gewandt.

Update: Einige Städte weisen in ihren Antworten zurecht darauf hin, dass neben den «netten Toiletten» auch öffentliche Toilettenanlagen zur Verfügung stehen, die ebenfalls zum Teil rollstuhlgängige Toiletten beinhalten.

Webseite und App

Weitere Informationen unter www.die-nette-toilette.de

Die App kann im Apple App Store oder im Google Play Store heruntergeladen werden.

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