Ostermundigen holt hindernisfreie Bushaltestellen nach
Seit dem 1. Januar 2024 müssten alle ÖV-Haltestellen von Gesetzes wegen hindernisfrei nutzbar sein. In der Berner Vorortgemeinde Ostermundigen ging das vergessen. Die Gemeindebehörden hatten sich zu sehr auf die geplante Tramlinie Bern-Ostermundigen konzentriert, sagte uns der Gemeindepräsident. Und hat quasi über Nacht vier Bushaltestellen auf eine einfache, aber wirkungsvolle Weise hindernisfrei umgebaut. Damit wird Ostermundigen vom Sorgenkind zum Aufholwunder.
In Ostermundigen gibt es seit rund 13 Jahren zwei vorbildliche Bushaltestellen mit den speziellen Randsteinen und hohen Haltekanten. In all dieser Zeit hat hier aber noch kein einziger Bus gehalten. Denn die Geisterhaltestellen im damals neuen Oberfeld-Quartier und bei der Gemeindeverwaltung wurden im Hinblick auf einen neuen Ortsbus erstellt, den es dann doch nicht gab.
Wieso sind die Bushaltestellen (also die, die in Betrieb sind) noch nicht hindernisfrei, und bis wann werden sie es sein? Mit dieser Frage haben wir uns an den Gemeindepräsidenten Thomas Iten gewandt. Und wurden in der Folge zu einer Besprechung im Bäre-Tower eingeladen. Der Gemeindepräsident, die Bereichsleiterin Baupolizei und der Abteilungsleiter Tiefbau und Betriebe von Ostermundigen wollten nichts beschönigen: Seit der ersten Abstimmung im Jahr 2014 hatten sie an das Tramprojekt und einen baldigen Baubeginn geglaubt, und damit an den hindernisfreien Neubau der Haltestellen. Dabei gingen die übrigen Bushaltestellen der beiden anderen Buslinien 28 und 44 vergessen.
Das Tram soll die Buslinie 10 ersetzen und hätte den ursprünglichen Plänen zufolge schon gebaut werden sollen. Leider hat sich das Tramprojekt immer weiter verzögert. Seine Realisierung ist heute trotz der gewonnenen Abstimmung unklarer als je zuvor, auch weil der Bund eine zweite Tramachse vor dem Bundeshaus – die einzige brauchbare Verkehrsführung – ablehnt. Die Gemeindebehörden von Ostermundigen sind sich bewusst, dass die meisten Haltestellen von Rollstuhlfahrenden nicht selbstständig nutzbar sind, sagen sie. Auch wenn sie darauf hinweisen, dass die Haltestellen «Sportplatzweg» und «Oberfeld» auch ohne den speziellen Randstein aufgrund der Höhe der Haltekante als hindernisfrei gelten. Sie erläutern und präsentieren uns, Haltestelle für Haltestelle, die bestehenden Pläne und Problematiken. Und versprechen eine provisorische Umsetzung im Jahr 2025.
Ende Juni 2025 war es soweit: Quasi über Nacht hat Ostermundigen die drei Bushaltestellen «Zollgasse», «Wegmühlegässli» und «Rüti» barrierefrei umgebaut. Auch die provisorische Bushaltestelle «Bahnhof» wurde angepasst. Und das erst noch, ohne dafür Millionenbeträge auszugeben, wie das andernorts oft üblich ist. Im Bereich des Rollstuhl-Einstiegs hat Ostermundigen die Haltekanten erhöht. Ein Holzbalken markiert den neuen vorderen Abschluss der Haltekante. Ungefähr 20 cm hoch ist diese nun. Davor und danach senkt sie sich auf das bisherige Trottoir-Niveau. Hinter dem Holzbalken wurde Teer aufgeschüttet. Zusätzlich wurde die bestehende Kante des Trottoirs schräg weggefräst, um den speziellen Randstein zu improvisieren. Dieser Winkel soll den Bussen erlauben, ganz an den Randstein heranzufahren, ohne den Reifen zu beschädigen, und funktioniert hoffentlich auch so. Es ist keine Lösung auf Dauer, aber das ist auch nicht nötig.
Im Laufe des Jahres werden vermutlich weitere Bushaltestellen provisorisch angepasst. Für die vom Tramprojekt nicht betroffenen Bushhaltestellen wird es wohl (später) einen definitiveren Umbau geben. Aber auch so hat sich Ostermundigen bereits vom Sorgenkind zum Aufholwunder gemausert.
Schade, dass Privatpersonen den Anstoss dazu geben müssen. Eigentlich müssten die Behörden die gesetzlichen Bestimmungen selbst kennen und entsprechend handeln. Immerhin zeigt dieses Beispiel, dass auch privates Engagement etwas bewirken kann. Und dass bei den Behörden von Ostermundigen viel guter Wille vorhanden ist, um besser spät als gar nicht zu handeln.
Nachholbedarf gibt es auch in der Nachbargemeinde Ittigen. Dort setzt sich Rosmarie Heiniger für barrierefreie Haltestellen ein. Die Lokalzeitung «Bantiger Post» hat sie im Juni 2024 auf verschiedenen ÖV-Routen durch Ittigen begleitet.