Unappetitliches Behinderten-WC im Kornhauskeller Bern
Der Kornhauskeller ist eine noble Adresse, um in Bern essen zu gehen. Die schönen Gewölbe mit den Malereien und dem riesigen, in Gold gefassten Weinfass am Ende des Saals schaffen eine eindrückliche Atmosphäre. Da drücken wir auch beide Augen zu, wenn die elektrische Türe für Rollstuhlfahrer ausgeschaltet war und sich partout nicht öffnen wollte.
Hier haben wir heute das Master-Diplom meiner Schwägerin gefeiert und einen schönen Abend erlebt. Ich habe mich besonders über das Wild-Angebot gefreut und gleich zugeschlagen. Die Reh-Schnitzel mit Spätzli, Rotkraut und Rosenkohl waren grossartig und unbedingt weiterzuempfehlen.
Nur das WC schaffte es, die gute Stimmung zu trüben. Das fängt schon damit an, dass man gar nicht dorthin kommt. Vom Restaurant im 2. UG kann man nämlich nicht alleine ins 1. UG mit der Bar und den WC-Anlagen fahren. Der Knopf reagiert nicht und man braucht jemanden mit einem Schlüssel, um diesen Zielort zu aktivieren. Oder eine Begleitperson, die die Treppe hinaufrennt und den Lift ruft.
Es gibt je ein Behinderten-WC im Frauen- und im Männer-WC. Diese verfügen über ein Eurokey-Schloss, sogar mit zweitem Schliess-Zylinder, was uns extrem freut. Doch offensichtlich hat die Putzfrau keinen Schlüssel dafür. Die WC-Schüssel ist rund um die Wassergrenze mit einer schwarzen Schmutzschicht bedeckt und die WC-Brille Urin-verkrustet. Das kann nicht vom selben Abend stammen, sondern nur Resultat von langem Nicht-mehr-geputzt-werden sein. Das ist so unappetitlich, dass es uns fast übel wird.
Wir fahren also hinüber zum Männer-WC. Dort stinkt es gewaltig nach Urin, aber wenigstens ist das Behinderten-WC sauber.
Als wir die WC-Kabine wieder verlassen wollen, haben wir Mühe. Es stellt sich heraus: Das Eurokey-Schloss ist hier ein Schloss mit Feder. Es reicht nicht, das Schloss mit dem Drehgriff wieder aufzuschliessen. Nein, man muss weiterdrehen und den Drehgriff dann halten, damit sich der Riegel nicht wieder schliesst. Gleichzeitig muss man mit der anderen Hand die Türfalle nach unten drücken. Wer das nicht kann, zum Beispiel auch, weil sich der Rollstuhl nur begrenzt gut in diese Ecke fahren lässt, der bleibt in der WC-Kabine gefangen. Da läuten bei mir sämtliche Alarmglocken.
Ich schreibe Bindella, zu der der Kornhauskeller gehört, ein E-Mail mit unseren Verbesserungsvorschlägen:
- Lassen Sie die elektrische Türe für Rollstuhlfahrer zur Zeughausgasse/Nägeligasse hin eingeschaltet.
- Geben Sie der Putzfrau einen Eurokey, damit sie auch im Behinderten-WC putzen kann.
- Programmieren Sie den Lift so um, dass man vom 2. UG auch alleine zu den WC-Anlagen ins 1. UG fahren kann, ohne Hilfe holen zu müssen.
- Bauen Sie das Eurokey-Schloss so um, dass man den Drehknopf nicht gedreht halten UND gleichzeitig die Türfalle betätigen muss, um die Türe von innen zu öffnen. Das schafft nicht jede Person im Rollstuhl und bleibt dann in der WC-Kabine gefangen.
Immerhin haben wir uns darüber gefreut, dass in den Männer- und Frauen-WCs je ein Behinderten-WC vorhanden ist, das nur mit dem Eurokey geöffnet werden kann. Und das erst noch über den separaten Schliesszylinder verfügt, den so viele WC-Betreiber vergessen.
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Zwei Tage später trifft eine Antwort des Kornhauskeller-Geschäftsführers ein:
„Herzlichen Dank, dass Sie das Master-Diplom Ihrer Schwägerin bei uns im Kornhauskeller gefeiert haben. Das freut mich sehr!
Auch freuen mich Ihre lobenden Worte zu den von uns aufgetischten Speisen. Dieses Kompliment gebe ich gerne intern weiter.
Ich bedauere jedoch sehr, dass der Besuch unserer Toiletten Sie enttäuscht hat. Wie von Ihnen beschrieben ist das gerade in Bezug auf Sauberkeit nicht akzeptabel.
Der aktuelle Vertrag mit unserer Reinigungsfirma ist in gekündetem Verhältnis. Wir erhoffen uns mit einem neuen Partner eine klare Verbesserung.
Für die technischen Verbesserungsvorschläge danke ich Ihnen herzlich! Ihre Überlegungen und Ideen sind für mich teilweise neu – machen aber absolut Sinn!
Hierfür werden wir Kontakt mit der Liegenschaftsverwaltung der Stadt Bern aufnehmen. Und hoffen, dass wir auch hier die Situation komfortabler gestalten können.
Nochmals herzlichen Dank, dass Sie bei uns zu Gast waren und auch dafür, dass Sie Sich Zeit genommen haben mir eine konstruktive Rückmeldung zu geben.
Es passiert leider immer wieder, dass man denkt, etwas sei gut so wie es ist. Bis man dann wie in Ihrem Fall ‚die Augen geöffnet‘ bekommt.
Herzliche Grüsse aus dem Kornhaus und eine gute Woche.“
Nun hoffen wir also, dass die neue Reinigungsfirma bald beginnt und Menschen im Rollstuhl neben dem feinen Essen künftig auch ein positives WC-Erlebnis haben.