Fliegen im Rollstuhl: Überfordertes Flughafenpersonal in Basel

Wir reisen selten mit dem Flugzeug, weil Fliegen im Rollstuhl beschwerlich ist. Bei unserer Flugreise letzte Woche mussten wir leider feststellen: Das Flughafenpersonal am Euroairport Basel ist immer noch völlig ahnungslos, wenn es um Passagiere im Rollstuhl geht. Besonders negativ ist uns die Sicherheitskontrolle aufgefallen.

Wir parkieren gerne im überdachten Flughafenparking S1 auf der Schweizer Seite des Euroairports. Hier stehen insgesamt 6 Behindertenparkplätze zur Verfügung und 7 weitere auf dem nahen Parkplatz S2. Auf der französischen Seite sind es sogar 58 Behindertenparkplätze in verschiedenen Sektoren. Das behindertenfreundlichere französische Recht scheint deutlich mehr Parkplätze vorzuschreiben als das Schweizer Recht.

Um zehn Uhr morgens treffen wir mit dem Auto am Flughafen Basel-Mulhouse ein. Und sind überrascht: «Besetzt» steht bei der Einfahrt zum Flughafenparking S1. Wir klingeln an der Schranke und fragen nach: Sind denn noch Behindertenparkplätze frei? Denn die «Besetzt»-Angabe bezieht sich in der Regel ausschliesslich auf die übrigen Parkplätze. Das wisse er nicht und könne uns deshalb nur anbieten, auf der französischen Seite zu parkieren, sagt die Stimme am anderen Ende. Komisch. Eigentlich hätten wir erwartet, dass der Eingangsbereich und damit auch die Behindertenparkplätze videoüberwacht sind.

Doch so einfach lassen wir uns nicht abwimmeln. Ich steige aus und gehe nachschauen. Tatsächlich sind vier der sechs Behindertenparkplätze noch frei. Mit dieser Information klingle ich erneut an der Schranke und bestehe darauf, dass wir eingelassen werden. Das fängt ja gut an. Wer hier nicht einfach so aussteigen kann oder will, hätte völlig unnötigerweise einen längeren Weg zum Flughafengebäude in Kauf nehmen müssen. Der Umweg auf die französische Seite hätte bedeutet, das Flughafengelände wieder zu verlassen, die Landesgrenze an einem Zoll zu überqueren und dann die französische Zufahrt zum Flughafen zu suchen. Das hätte mindestens eine halbe Stunde gedauert und ein verspätetes Erscheinen beim Check-In bedeutet.

Wir werden also schlussendlich im Flughafenparking S1 eingelassen und können hier parkieren.

Vieles vergessen beim Check-In

Vom Parkhaus aus gehen wir zum Einchecken am Schalter von British Airways. Mit dabei haben wir unsere Checkliste fürs Fliegen im Rollstuhl. Und leider ist die auch gleich nötig. Denn die Dame am Schalter hat offensichtlich keine Ahnung und auch nicht den Reflex, das richtige Vorgehen in in ihrem sicherlich vorhandenen Handbuch nachzusehen. Sie erfasst lediglich unsere Reisetasche. Dank unserer Checkliste können wir sie daran erinnern, dass sie auch den Rollstuhl als Gepäckstück erfassen und den orangefarbenen Anhänger anbringen muss, damit der Rollstuhl bei der Ankunft zur Flugzeugtüre gebracht wird.

Gleichgültigkeit am Spezialschalter

Dann gehen wir an den Spezialschalter für Personen mit Assistenzbedarf. Doch der dortige Angestellte wirft kaum einen Blick auf unsere Unterlagen und sagt, wir sollen im Wartebereich warten. Wir fragen nach, ob alles im System eingetragen ist mit dem Bringen und Abholen zum Einsteigen ins Flugzeug. Ans Gate gelangen wir nämlich auch selbst und müssen hier nicht warten. Der Mitarbeiter zuckt mit den Schultern und ist dann wieder mit sich selbst beschäftigt.

Drohung bei der Sicherheitskontrolle

Wir machen uns also auf den Weg zur Sicherheitskontrolle. Gut, dass wir wissen, welchen Lift wir nehmen müssen. Schilder gibt es nämlich nur für die Treppe. Oben wartet die nächste Überraschung auf uns. Während ich als Begleitperson noch vom Sicherheitsbeamten aufs Genauste durchsucht werde, wird meine Frau im Rollstuhl von einer anderen Beamtin kontrolliert. Diese weist sie an, aus dem Rollstuhl aufzustehen, damit sie sie weiter abtasten und den Rollstuhl untersuchen kann. Das kann sie aber nicht – zumindest nicht ohne meine Hilfe. Sie fragt deshalb, ob das wirklich sein muss. Denn bei unseren bisherigen Flugreisen war das nie nötig. «Entweder Sie stehen auf und ich durchsuche Sie, oder sonst macht es die Polizei», sagt sie. Das sei eine neue Regelung, erklärt sie weiter. So müssen wir mitten im Raum und zwischen allen Leuten aufstehen und ungefähr eine Minute so bleiben, während die Beamtin nicht gerade zimperlich auf Tuchfühlung geht. Und danach extra gebeten werden muss, denn weggestellten Rollstuhl wieder hinzustellen.

Das ist einfach unglaublich – eine Zumutung und eine Erniedrigung. Falls das tatsächlich eine neue Sicherheitsvorschrift sein soll, die Menschen mit Behinderungen besonders betrifft und ihnen das Reisen im Flugzeug noch mehr verleidet, dann müssten doch spezielle Vorkehrungen getroffen werden. Die Kontrolle müsste in einem separaten Raum oder mindestens mit Sichtschutz durchgeführt werden, und es müssten Haltegriffe vorhanden sein, an denen man sich aufziehen und festhalten kann. Und wie dürfen wir die Drohung mit der Polizei verstehen? Da werden wir definitiv beim Bundesamt für Zivilluftfahrt BAZL nachfragen, um mehr über die behauptete neue Regel zu erfahren, und ob sie hier tatsächlich richtig angewendet wird.

Keine WC-Möglichkeit bei Reisen unter 5 Stunden

Endlich sind wir am Gate. Der Flug nach London dauert weniger als 5 Stunden, weshalb kein Bordrollstuhl mit dabei ist. Die Bordtoilette kann damit nicht benutzt werden. Das wussten wir bereits. Wir fragen, um welche Zeit unser Boarding beginnen soll, und machen rechtzeitig noch einen Ausflug zur Toilette.

Erst ab einer Reisezeit ab 5 Stunden ist der Bordrollstuhl gesetzlich vorgeschrieben. Dass Ein- und Aussteigen gut mal je eine halbe Stunde dauern kann und der Abflug häufig verspätet erfolgt, was die «Flugzeit» auf bis zu sieben Stunden verlängern kann, ist dabei natürlich nicht eingerechnet. Die 5-Stunden-Regel ist eine absolute Fehlplanung.

Falsch erfasster Rollstuhl, gerade noch entdeckt

Bei der Flugzeugtüre treffen wir auf die erste kompetente Person: Die Stewardess von British Airways vergewissert sich auf ihrem Tablet-Computer, ob alles richtig eingetragen ist. Dabei stellt sich heraus: Der Rollstuhl wurde nicht korrekt erfasst, womit er bei der Ankunft vermutlich nicht wieder zum Gate gebracht worden wäre, sondern wie alle anderen Gepäckstücke auf dem Gepäckband gelandet wäre. Gut, dass sie das noch korrigieren kann.

Nein, wir transferieren selbst beim Einsteigen

Meine Frau steigt also mit meiner Hilfe vom Rollstuhl in den Verladerollstuhl («Aisle Chair») um. Sie wird dann von den Helfern darauf festgebunden und zum Platz gerollt, während ich mit dem Handgepäck nachkomme. Dieser Teil erinnert mich immer an die Szene, wie Hannibal Lecter in «Das Schweigen der Lämmer» in den Gerichtssaal gebracht wird. Wir erreichen unsere Sitzreihe und müssen wie immer klar sagen, dass wir selbst in den Sitz transferieren. Immerhin haben wir das alles geschafft, bevor die Mitarbeitenden am Gate die übrigen Passagiere einsteigen lassen.

Dann füllt sich das Flugzeug langsam. Die englische Stewardess sorgt noch dafür, dass die dritte Person in unserer Dreierreihe einen anderen Sitzplatz findet. Zum ersten Mal fühlen wir uns wieder wohl. Engländerinnen und Engländer sind im Umgang mit Menschen mit Behinderungen einfach nicht so verkrampft wie Schweizer und Franzosen. In England sind Menschen mit Behinderungen nämlich einfach Menschen. Behindert werden sie nur in der Schweiz.

Unser Fazit: Hilf Dir selbst. In Basel müssen Reisende mit einer Behinderung gut vorbereitet sein und selbst wissen und kontrollieren, ob die Mitarbeitenden ihre Arbeit richtig erledigen. Ihnen scheint das nötige Wissen und vor allem die Sensibilität im Umgang mit Menschen mit Behinderungen zu fehlen. Nun warten wir gespannt auf die Antwort des BAZL.

Hier nochmals der Link zur Checkliste: Checkliste fürs Fliegen im Rollstuhl

Update 10.10.2019: Antwort des BAZL:

«Das Bundesamt für Zivilluftfahrt BAZL ist für die Aufsicht der internationalen Flughäfen Zürich und Genf verantwortlich. Für den Flughafen Basel EuroAirport sind die französischen Luftfahrtbehörden (DGAC) zuständig. Bitte wenden Sie sich mit Ihren Anliegen an die DGAC.»

Ich bin sehr überrascht, dass das Schweizer Bundesamt für Zivilluftfahrt nicht für den Euroairport Basel-Mulhouse oder zumindest für Abflüge vom Schweizer Teil des Flughafens zuständig ist.

Den Verweis auf eine französische Abkürzung verstehe ich so, dass das BAZL weder in Kontakt mit der DGAC steht noch eine Ansprechperson für solche Anfragen weiss. Sonst hätten mir der Sektionsleiter sicherlich einen Link oder eine E-Mail-Adresse einer zuständigen Person geschickt. Ich habe zwar die Webseite der DGAC gefunden, doch keines der dort aufgeführten Themen (z.B. Umweltschutz, Wildtiere) für eine Kontaktaufnahme per E-Mail scheint mir passend zu sein. Damit bleibt nur übrig, einen Brief nach Saint-Louis zu schicken.

Das bedeutet also auch, wenn ich das richtig verstehe, dass Schweizer, die ab Basel fliegen, keinerlei Schutz geniessen. Denn Anfragen oder Beschwerden auf Deutsch werden von der französischen DGAC ja wohl kaum bearbeitet. Diese Schlechterstellung gegenüber Reisenden ab dem Flughafen Zürich enttäuscht mich.

Ich werde damit beim UVEK intervenieren mit der Bitte, dass Diskussionen rund um die Zivilluftfahrt ab dem Schweizer Teil des Flughafens Basel-Mulhouse (wieder?) mit dem Schweizer Bundesamt für Zivilluftfahrt geführt werden können.

Zeitungsartikel zu unserem Erlebnis

Gleichzeitig freue ich mich darüber, dass die Zeitung BZ Basel unser Erlebnis zum Anlass genommen hat, einen Zeitungsartikel zu verfassen.

Wir «bereuen» den Flug nach London übrigens nicht, sondern bedauern einfach, dass die Mitarbeitenden am Flughafen Basel immer noch nicht besser geschult und geübt sind im Umgang mit Menschen mit Behinderungen.

Einen Kommentar verfassen