Umweltzonen benachteiligen Gehbehinderte: Nun doch nicht

Im Herbst 2010 führte Bundesrat Leuenberger bzw. sein Departement für Umwelt, Verkehr und Energie UVEK eine Anhörung zu seiner geplanten Einführung von Umweltzonen in grösseren Städten durch. Die Stadtverwaltungen hätten damit die Möglichkeit gehabt, Autos je nach ihrer Abgas-Kategorie aus der Stadt zu verbannen, um die Luftqualität zu verbessern.

Auf keinen Fall die Stadtgrenze passieren sollten zukünftig alle Autos, die vor dem 1. Oktober 1987 zugelassen wurden sowie alle Dieselfahrzeuge, die vor 2001 gebaut wurden. Ausnahmen von diesem generellen Verbot waren einzig für Armeefahrzeuge, Diplomaten, Polizei, Feuerwehr, Ambulanz und ÖV-Busse vorgesehen, keine weiteren. Die übrigen Fahrzeuge hätten je nach Abgas-Kategorie eine weisse, graue oder schwarze Vignette erhalten. Die weisse Vignette ist Elektrofahrzeugen vorbehalten. Je nach der tagesaktuellen Luftverschmutzung dürfen dann Autos mit schwarzer oder auch Autos mit grauer Vignette nicht mehr in die Stadt fahren.

Viel Gerede gab in diesem Zusammenhang das Anliegen von Oldtimer-Fans. Sie hätten bei zukünftigen Ausfahrten ihre Route um die Städte herum planen müssen, Oldtimer-Treffen wären nur noch abseits von Städten möglich gewesen. Dasselbe gilt für Sportwagen aller Art. Die Zukunft des jährlichen Ferrari-Treffens in der malerischen Altstadt von Aarberg beispielsweise wäre ungewiss gewesen.

Eine viel konkretere Auswirkung hätten die Umweltzonen meiner Meinung nach aber auf die Mobiliät von gehbehinderten Personen gehabt. Auch für sie sind keinerlei Ausnahmen vorgesehen. Viele von ihnen sind darauf angewiesen, mit ihrem Auto jeweils nahe an den Zielort fahren zu können, um die letzten Meter im Rollstuhl, mit Rollator oder an Krücken zu bewältigen. Sie werden durch die Einführung von Umweltzonen überdurchschnittlich beeinträchtigt. Denn häufig handelt es sich hier um Leute, die sich nicht einfach so ein neues, umweltfreundliches Auto leisten können. Erst recht nicht, seit die IV ihnen reihenweise lebensnotwendige Gelder streicht. Und viele können auch nicht einfach so auf den öffentlichen Verkehr umsteigen wie gesunde Leute. Dass der Bund gehbehinderten Personen kostenlos umweltfreundliche Fahrzeuge zur Verfügung stellt, ist mehr als unwahrscheinlich. Was nützen also die viel zu seltenen Parkplätze für Gehbehinderte in der Innenstadt, wenn man gar nicht mehr dorthin fahren darf?

Damit steht fest, dass die Einführung von Umweltzonen eine weitere Benachteiligung von gehbehinderten Personen zur Folge hat und sie damit noch stärker vom öffentlichen Leben ausgegrenzt werden.

Ich habe mehreren Bundesstellen die Frage gestellt, wie sich die geplanten Umweltzonen auf die Mobilität von Gehbehinderten auswirken werden, und dabei sogar eine – wenn auch sehr kurze und nichtssagende – Antwort von Alt-Bundesrat Moritz Leuenberger erhalten

Scheinbar war ich nicht der einzige, dem die Umweltzonen-Idee nicht gefällt. Über 3’500 Stellungnahmen sind beim UVEK eingetroffen, eine Mehrheit davon mit ablehnender Haltung. Insbesondere von den Kantonen, die für die Umsetzung verantwortlich wären, wurde die Vorlage mit grosser Mehrheit verworfen. Sie orten ein Missverhältnis zwischen dem Aufwand und der beschränkten Wirksamkeit von Umweltzonen. Das UVEK verzichtet deshalb auf eine Weiterführung des Projekts.

(Diesen Blogbeitrag hatte ich ursprünglich in zwei Teilen vor und nach dem Entscheid des UVEK im Autofahrerblog.ch publiziert.)

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