Polizei: Auf Behindertenparkplatz blockiert ist erwünscht!

Da haben wir nicht schlecht gestaunt! Als wir zu unserem Auto zurückgekehrt sind, stand dahinter ein roter Kleinwagen quer auf dem Behindertenparkplatz, ebenfalls mit Behindertenparkkarte. Er war so nahe parkiert, dass wir den Kofferraum nicht mehr öffnen konnten, um den Rollstuhl einzuladen. Noch mehr gestaunt haben wir allerdings über die Antwort der Polizei.

Die beiden Behindertenparkplätze an der Ecke Aarbergergasse/Genfergasse in der Nähe des Bahnhofs Bern wurden ein wenig umplatziert und gedreht. Grund dafür sind die Rampen der Behindertentransportdienste, die auf die Strasse hinaus ragten. Der Bus konnte deshalb nicht mehr gut um die Kurve fahren. Die neu markierten Parkfelder sind verhältnismässig gross auf den Boden aufgemalt. So bleiben auch die Transporter mit ihren Rampen auf der Rückseite innerhalb ihres Parkplatzes.

Alle Behindertenparkplätze in der Schweiz sind als Einzelparkplätze konzipiert. Ein Parkplatz, ein Auto. Sie sind grösser und länger als sonstige Parkplätze, damit die berechtigte Person ganz nach ihren Bedürfnissen darauf parkieren kann. Zum Beispiel weit rechts auf dem Parkfeld, um zum Transferieren in den Rollstuhl die Fahrertüre vollständig öffnen zu können. Oder weit links, falls die gehbehinderte Person auf dem Beifahrersitz mitfährt. Oder weit vorne, wenn auf der Rückseite des Autos eine Rampe ausgeklappt werden muss, oder um den Rollstuhl in den Kofferraum zu laden.

Eine fremde Person kann diese Bedürfnisse unmöglich kennen. Wer sein Auto also innerhalb desselben Parkfelds parkiert, nimmt in Kauf, dass die andere Person nicht mehr in ihr Auto einsteigen, die Rampe nicht mehr ausklappen oder den Rollstuhl nicht mehr in den Kofferraum laden kann. Dabei kann es ausreichen, nur mit den Rädern auf der falschen Seite der Linie zu parkieren, wie es immer wieder beobachtet werden kann. Ist die Person im Rollstuhl alleine unterwegs, kann sie sich in einer solchen Situation kaum selbst helfen. Denn jemand kann schlecht vom Rollstuhl ins Auto transferieren, einen halben Meter nach vorne fahren und dann zurück in den Rollstuhl transferieren, weil der jetzt nicht mehr erreichbar ist.

Geteilte Meinungen bei der Umfrage auf Facebook

An einer Umfrage auf der Facebook-Seite des Rollstuhlblogs und auf dem Twitter-Konto des Rollstuhlblogs haben sich 14 Personen beteiligt – herzlichen Dank.

Die Teilnehmenden waren geteilter Meinungen: Acht Personen fanden, das geht gar nicht. Esther fragt: «Und wie lade ich mein Rollstuhl in den Kofferraum?» Auch Andrea ist sich sicher: «Wenn 2 Autos vorgesehen wären hier zu parkieren, wäre die Bodenmarkierung entsprechend. Ich fahre selber Auto und lade meinen Rolli selbständig in den Kofferraum… da hätte ich nicht so Freude, wenn ich auf diese Weise zugeparkt würde.» Dasselbe gilt für Sandra. Sie hätte zu wenig Platz, um den Rolli ihres Sohnes in den Kofferraum zu laden.

Sechs Personen hingegen fanden es in Ordnung, dass sich der rote Kleinwagen hinter unser Auto gequetscht hat. «Auf diesem Feld hätten problemlos zwei Autos Platz», meint Ulrich. Damian ist ein wenig zurückhaltender und findet: «So lange beide ohne Probleme ins Auto einsteigen können, geht es in Ordnung.»

Besonders genau hingeschaut hat Brigitte: Ihr ist aufgefallen, dass unsere Behindertenparkkarte abgelaufen und deshalb nicht mehr gültig ist. Tatsächlich handelt es sich dabei um ein altes Foto der Parkkarte, das ich im Kreis eingefügt habe. Wir haben sie rechtzeitig erneuert.

Antwort der Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern

Wir stimmen mit der knappen Mehrheit überein: Sicherlich ist es verboten, so zu parkieren. Oder etwa nicht? Ich wende mich an die Kantonspolizei, um das abzuklären. Und später an den Rechtsdienst der Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern und den zuständigen Regierungsrat Philippe Müller, da ich die Antwort der Polizei kaum glauben kann. Aber auch der Rechtsdienst schliesst sich der Ansicht der Polizei an:

«Gemäss Art. 19 Abs. 4 VRV ist platzsparend zu parkieren. Dort wo Parkfelder gekennzeichnet sind, dürfen Fahrzeuge nur innerhalb dieser Felder parkiert werden. (…) Es erfolgt jedoch keine Beschränkung der Anzahl Fahrzeuge auf dieser Fläche.»

Da im roten Auto ebenfalls eine Behindertenparkkarte auf dem Armaturenbrett lag, sieht die Polizei hier also kein Problem. Oder höchstens, weil das quer parkierte Auto ganz leicht über das Parkfeld hinaus ragt. Das gäbe aber höchstens eine kleine Busse von 40 Franken und auch nur, wenn ein Polizist das mit eigenen Augen gesehen hätte.

Die Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern ist also der Meinung, dass es nicht nur erlaubt ist, so zu parkieren, sondern sogar erwünscht.

Diese Meinung ist höchst problematisch, denn sie öffnet dem Missbrauch Tür und Tor. Ein Smart, Twizy oder ein anderes kleines Gefährt hätte fast immer noch zusätzlich auf dem Parkfeld Platz. Denkbar wäre sogar, dass jemand auf der Linie zwischen zwei Behindertenparkplätzen parkiert, falls es zwischen den dort stehenden Autos genügend Platz hat, und damit gleich beide Halter behindert. Anstelle einer Busse erhielte diese Person also eine Belobigung für besonders platzsparendes Parkieren.

Die Meinung der Polizei und des Rechtsdiensts entspricht ausserdem genau dem Gegenteil des Ziels und Zwecks von Behindertenparkplätzen. Menschen mit Behinderungen sollen wie bereits erwähnt ausreichend Platz haben, um gemäss ihren Bedürfnissen zu parkieren und ein- und aussteigen können. Da kann es nicht sein, dass ihnen andere – von der Polizei gebilligt – diesen Platz wieder wegnehmen. Das Gebot, platzsparend zu parkieren, kann für Behindertenparkplätze eben gerade nicht gelten.

Eine Gesetzeslücke, die geschlossen werden muss

Keine Strafe ohne Gesetz. So lautet der Grundsatz im Strafrecht. Die Polizei richtet sich dabei primär nach der Bussenliste in der Ordnungsbussenverordnung. Dort ist lediglich für das «Parkieren eines nichtberechtigten Fahrzeugs auf einem für gehbehinderte Personen reservierten Parkfeld bis 60 Minuten» eine Busse von 120 Franken vorgesehen (Ziffer 240.1). Bei einer Parkdauer über 60 Minuten kommt es zum Gerichtsverfahren, bei dem die Richterin oder der Richter die Strafhöhe festlegt. Auch das unberechtigte Verwenden der Behindertenparkkarte ist unter Strafe gestellt. Die Busse hierfür beträgt ebenfalls 120 Franken (Ziffer 240.2). Tatsächlich fehlt in der Bussenliste aber eine Definition der erlaubten Anzahl von Fahrzeugen pro Parkfeld. Und genau deswegen kann und will die Polizei dem Halter des roten Autos keine Busse geben.

Hier zeigen sich die Polizisten und Anwälte des Rechtsdiensts für einmal einfallslos. Anstatt ein Verbot aus einer anderen Gesetzesbestimmung herzuleiten, zum Beispiel als Behinderung der Wegfahrt oder aus der im Strafgesetzbuch enthaltenen Nötigung, überlassen sie Menschen mit einer Behinderung sich selbst.

Im Gegensatz zum Beispiel zu Blaue-Zone-Parkplätzen entlang einer Strasse sind Behindertenparkplätze immer als Einzelparkplätze ausgestaltet. Fehlt eine gesetzliche Regelung dazu, dann handelt es sich um eine sogenannte Gesetzeslücke. Diese kann es geben, wenn der Gesetzgeber eine Rechtsfrage bewusst nicht geregelt hat, um den Gerichten einen Spielraum zu geben, mit ihren Urteilen einen Weg vorzugeben. Dies kann hier nicht der Fall sein. Somit handelt es sich um eine unbewusste Gesetzeslücke, bei welcher der Gesetzgeber übersehen hat, dass es eigentlich eine gesetzliche Vorgabe braucht.

Für mich ist klar, dass der Gesetzgeber vergessen hat, die maximal erlaubte Zahl von Fahrzeugen pro Behindertenparkplatz zu regeln, weil es einfach so offensichtlich ist, dass hier nicht mehr als ein Fahrzeug parkieren soll. Eine solche unbewusste Gesetzeslücke kann geschlossen werden, indem der Gesetzgeber eine Regelung dazu verabschiedet (also eine Regelung entwirft, die dann im Parlament diskutiert und nach der Genehmigung ins Gesetz eingefügt wird). Und ich habe auch bereits einen Plan, wie das hoffentlich erreicht werden kann. Dazu folgt bald mehr im Rollstuhlblog.ch. Seid gespannt!

Ein besseres System in England?

Wir sind häufig in England unterwegs und finden die dortigen Behindertenparkplätze wesentlich überzeugender als das Schweizer System.

Behindertenparkplätze in England sind nicht grösser als andere Parkplätze. Darauf haben Personenwagen, aber auch grössere Fahrzeuge von Behindertentransportdiensten Platz. Zwischen den Parkplätzen befinden sich Sperrflächen, die ungefähr 1 Meter breit sind. Sie dienen als Abstandhalter, die Menschen im Rollstuhl auf beiden Seiten des Autos den Weg zur Autotüre freihalten. Sie haben also immer genügend Platz zum Transferieren. Denn auf diesen Sperrflächen darf niemand parkieren – weder Inhaber von Behindertenparkkarten noch Leute ohne solche Karten. Es wäre schön, wenn die Schweiz ebenfalls ein solches System einführen würde.

Fazit und Aufruf

Solange sogar bei den zuständigen Behörden die Einsicht fehlt, dass Menschen im Rollstuhl beim Parkieren mehr Platz benötigen und deshalb auf Behindertenparkplätzen nicht blockiert werden dürfen, wird sich an der Benachteiligung der Menschen mit Behinderung in der Schweiz kaum etwas ändern. Das ist wirklich tragisch.

Bis sich die rechtliche Situation hoffentlich ändert, möchte ich alle Inhaberinnen und Inhaber einer Behindertenparkkarte dazu aufrufen: Respektiert den (Park-) Platz der anderen. Geht davon aus, dass das Auto absichtlich so auf dem Behindertenparkplatz steht, dass die Fahrerin oder der Fahrer oder ein Passagier mit dem Rollstuhl oder Rollator oder einer anderen Gehhilfe genügend Platz zum Transferieren und zum Einladen in den Kofferraum hat. Wenn ein Behindertenparkplatz bereits besetzt ist, versucht nicht, Euer Auto nicht auch noch in das Parkfeld zu quetschen, sondern sucht einen anderen Behindertenparkplatz oder einen anderen Ort, um das Auto abzustellen. Mit der Behindertenparkkarte darf ja auch ausserhalb von Parkfeldern parkiert werden (maximal 3 Stunden lang, in Begegnungs- und Fussgängerzonen maximal 2 Stunden lang), solange dort kein Halteverbot besteht (mehr erfahren). Vielen Dank.

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