Innenstadt autofrei: Basler Verkehrsplaner vergessen Gehbehinderte… doch nicht.

Die Basler Innenstadt soll autofrei werden. Das haben die Verkehrsplaner des Bau- und Verkehrsdepartements des Kantons Basel-Stadt entschieden. Und zwar sollen im gelb markierten Bereich zukünftig keine Autos – ausser die von Anwohnern – zugelassen sein.


Bild: Basler Zeitung vom 6. September 2012

Nur: In diesem Perimeter befinden sich mehrere Parkplätze für Gehbehinderte. Bei unseren regelmässigen Ausflügen nach Basel parkieren wir im Grossbasel am liebsten auf den Behindertenparkplätzen hinter der Elisabethenkirche und im Kleinbasel auf denen an der Rebgasse beim Starbucks. Diese Behindertenparkplätze und auch weitere liegen im Bereich, der rund um die Uhr autofrei werden soll. Müssen wir also zukünftig draussen bleiben?

Mit der Frage, ob eine Ausnahmeregelung für Inhaber von Behindertenparkkarten geplant sei, habe ich mich an den Basler Regierungsrat Hans-Peter Wessels, der gleichzeitig auch Vorsteher des Bau- und Verkehrsdepartements ist, und weitere in der Medienmitteilung genannte Personen gewandt (Verkehrskonzept: Romeo Di Nucci, Verkehrstechnik, Amt für Mobilität, Bau- und Verkehrsdepartement; Zufahrtsverordnung: Bernhard Frey Jäggi, Leiter Abteilung Verkehr, Justiz- und Sicherheitsdepartement).

Schon nach kurzer Zeit habe ich eine Antwort von Herrn Wessels Sekretärin erhalten: Für Behindertenparkkarten müsse ich mich an die Motorfahrzeugkontrolle Basel-Stadt wenden. Sie hat mein Mail also überhaupt nicht gelesen. Ich schreibe daher ein zweites Mal und höre nichts mehr. Eine Woche später frage ich nach und erhalte von Romeo Di Nucci die Rückmeldung, dass meine Fragen in die Zuständigkeit mehrere Fachstellen fallen würden und eine fachlich fundierte Antwort eine entsprechende Koordination zwischen den involvierten Stellen benötige.

Da auch nach weiteren drei Wochen eine Antwort aussteht, bleibt nur ein Schluss übrig: Die Basler Verkehrsplaner haben bei Ihrer grossartigen Planung Leute mit einer Gehbehinderung und ihre Bedürfnisse völlig vergessen. Ansonsten wäre eine Antwort ja ganz einfach möglich gewesen und sie hätten mir die entsprechenden Passagen in ein paar Sekunden aus den Unterlagen kopieren können. Das ist schade und traurig.

Am 16. Oktober 2012 war nun in der Zeitung zu lesen, dass mehrere Einsprachen gegen diese Verkehrsplanung eingegangen sind. Grossartig: Diese Frist hätte ich wegen der fehlenden Antwort also auch verpasst. Ich schreibe trotzdem ein Mail ans Appellationsgericht, das zuständig zu sein scheint. Von all dem war in der Pressemitteilung ja sowieso nichts zu lesen. Nicht als Einsprache, sondern einfach, um auf die Situation hinzuweisen und das Gericht zu bitten, die Bedürfnisse der Gehbehinderten nicht auch zu vergessen. Schliesslich müssen die ja von Gesetzes wegen berücksichtigt werden, nicht erst auf Einsprache hin. Ich bin gespannt!

Update 24. Oktober 2012:

Hans-Peter Wessels antwortet mir per Post:

„Zurzeit liegen der Verwaltung zahlreiche Detailfragen zur Umsetzung des Verkehrskonzeptes Innenstadt bzw. zum Vollzug der erlassenen Verordnung vor. Zur Debatte stehen insbesondere die Zufahrtsrechte für Anwohner, Geschäfte, aber eben auch für Menschen mit einer Gehbehinderung.

Die für den Vollzug dieser Verordnung verantwortliche Kantonspolizei sowie Fachleute aus meinem Departement möchten die offenen Fragen zur Umsetzung der Verordnung gemeinsam mit den Direktbetroffenen klären.

Diese Detailberatung nimmt mehr Zeit in Anspruch als ursprünglich gedacht. Hier haben wir die Situation unterschätzt. Bekanntlich steckt der Teufel im Detail.

Ich kann Ihnen versichern, dass beide beteiligten Departemente, das Justiz- und Sicherheitsdepartement wie auch das Bau- und Verkehrsdepartement, sich der speziellen Situation der Gehbehinderten sehr wohl bewusst sind und diesem Thema besondere Aufmerksamkeit widmen. Im Interesse einer motorfahrzeugfreien Kernzone wird es jedoch unerlässlich sein, Zufahrtsbewilligungen nicht pauschal zu verteilen.

Gemäss Rücksprache mit der Kantonspolizei sind folgende Lösungen für die Gehbehinderten vorgesehen: [vermutlich entweder oder]

  • Gehbehinderte mit einer Sonderparkbewilligung für gehbehinderte Personen dürfen jederzeit in die Kernzone zufahren und ihr Fahrzeug auf den vorhandenen Behindertenparkplätzen abstellen.
  • Für Fahrten während der Güterumschlagszeiten braucht es keine Bewilligung. Für das Zufahren ausserhalb der Güterumschlagszeiten braucht es eine Tagesbewilligung. Diese ist am Schalter oder elektronisch bei der Motorfahrzeugkontrolle erhältlich.
  • Die Zu- und Wegfahrt mit dem Taxi ist jederzeit gestattet.

Mit diesen Regelungen kann gewährleistet werden, dass Gehbehinderte problemlos in die Innenstadt einfahren können.

Erlauben Sie mir noch folgende Anmerkung: Die von Ihnen in Ihrem Blog angesprochenen Behindertenparkplätze im Grossbasel befinden sich nicht hinter der Elisabethenkirche sondern hinter der Barfüsserkirche. [Hier hat Herr Wessels recht. Gut, hat er nicht hier seine Bemerkung mit dem Teufel im Detail gemacht. ;-)]

Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen Transparenz in das weitere Vorgehen gewährt zu haben und möchte mich für die verspätete Antwort entschuldigen. Gerne weise ich Sie noch darauf hin, dass die genannten Regelungen in die Kompetenz der Kantonspolizei fällt, die auch für das Ausstellen der Bewilligungen verantwortlich ist.

Ich freue mich, wenn Sie den geplanten Änderungen das nötige Verständnis entgegenbringen können und unsere zukünftig noch attraktivere und fussgängerfreundlichere Innenstadt weiterhin auf Sie als regelmässigen Besucher zählen kann.“

Daneben habe ich mit einem freundlichen Herrn der Motorfahrzeugkontrolle Clarahof telefoniert. Diese Behörde wird für das Erteilen der Bewilligungen zuständig sein. Auch er hat mir von den verschiedenen Varianten erzählt, die zurzeit in Abklärung sind. Favorisiert wird natürlich auch von mir die Variante, bei der Inhaber einer Parkkarte für Gehbehinderte mit dieser und ohne weitere Bewilligung in die Kernzone fahren dürfen, um dort zu parkieren. Ob die Stadt ein Parkieren in diesem Fall lediglich auf Behindertenparkplätze beschränken darf, bezweifle ich. Die per 1. August 2012 angepasste Regelung auf Bundesebene besagt, dass Inhaber einer Behindertenparkkarte auch im Parkverbot parkieren dürfen, nämlich drei Stunden lang, und zwei Stunden lang in Fussgänger- und Begegnungszonen ausserhalb von Parkfeldern, sofern in der Nähe keine (Behinderten-) Parkplätze vorhanden oder frei sind und solange dabei der Verkehr nicht gefährdet wird. Das müsste ja eigentlich auch in Basel gelten.

Insbesondere die Berner wollen ja im leichten Grössenwahn immer die Regelungen von Weltstädten einführen (von der grünen Stadtregierung beispielsweise geplant: Road Pricing für die Innenstadt). Ich verweise daher auch gerne für die Basler auf die Londoner Variante: Hier erhalten wir jeweils bürokratisch sehr einfach eine Bewilligung für das kostenlose Befahren der ansonsten kostenpflichtigen Innenstadt („Congestion Charge Zone“). Bei dieser jeweils ein Jahr lang gültigen Bewilligung wird die Autonummer im System gespeichert, so dass wir beim Befahren keine Rechnung erhalten. Davon konnten wir schon mehrfach profitieren. In fast jeder Strasse gibt es Behindertenparkplätze – hier könnte die ganze Schweiz viel dazulernen. Auch von den elektrischen Rollstuhlrampen in sämtlichen Londoner Bussen… meines Wissens kommt ja auch die neuste Basler „Drämli“-Generation nur mit Klapprampen, für die der Chauffeur seinen Platz verlassen muss.

Ich freue mich also, dass Leute mit einer Gehbehinderung bei der Planung doch nicht vergessen wurden, und bin weiterhin gespannt, wie die fertige Regelung denn nun aussehen wird.

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