Autofreie Basler Innenstadt: Unsicherheit und Einschränkungen für Gehbehinderte
Seit dem 1. Januar 2014 ist die Innenstadt von Basel autofrei. Die verkehrsfreie Zone umfasst die Freie Strasse, den Marktplatz, die Mittlere Brücke und einen Teil Kleinbasels. So wollte es der Grosse Rat.
Die Stadtregierung setzt alles daran, seinen Willen bedingungs- und rücksichtslos durchzusetzen. Seit Jahresbeginn ist er deswegen täglich der Kritik ausgesetzt. Handwerkern und Notfalldiensten (z.B. Schlüsselservice) ist die Einfahrt erst nach der Ausstellung einer Kurzbewilligung gestattet, Lieferanten empfinden die Güterumschlagszeiten zu kurz. Auch Gehbehinderte sind vom restriktiven Verkehrsregime betroffen. Zwar sieht die Verordnung betreffend die ausnahmsweise Zufahrt in die Innenstadt Ausnahmen für die Zufahrt zu Behindertenparkplätzen vor. Weil die Details dazu aber mehr als unklar sind, habe ich bei der Stadtregierung nachgefragt. Mit den Antworten will ich den betroffenen Menschen mit einer Gehbehinderung und Behindertenfahrdiensten in einem Blogbeitrag rechtssicher Auskunft geben und die Behörden gleichzeitig auf Missstände hinweisen. Dass ich damit dermassen hohe Wellen verursache, um sogar auf der Titelseite der BaslerZeitung zu landen, hätte ich mir nicht erhofft.
Am 7. Januar 2014 hatte ich mich per E-Mail an die Basler Behörden gewandt. Dabei ging es um die folgenden Fragen bzw. Unklarheiten:
- In der Basler Innenstadt gibt es so gut wie keine Behindertenparkplätze (siehe Grafik unten). Dem Wortlaut der Verordnung nach ist es für Menschen mit einer Gehbehinderung (sprich: Inhaber einer Parkkarte für Gehbehinderte) verboten, ausserhalb von Behindertenparkplätzen zu parkieren. Die Verkehrsregelverordnung des Bundes gestattet dies zwar grundsätzlich (auch ausserhalb von Parkfeldern und sogar im signalisierten Parkverbot, nicht im Halteverbot), überlässt die Regelung in Fussgängerzonen aber den Gemeinden (Art. 20a Abs. 1 Bst. c VRV). Beispielsweise beim Münsterplatz gibt es keine Behindertenparkplätze. Wer hier parkiert, weil es einfach nicht anders möglich ist, oder in der Barfüssergasse wegen bereits besetztem Behindertenparkplatz davor oder dahinter, macht sich also trotz Behindertenparkkarte strafbar. Das kann nicht sein.
- Ist aufgrund der restriktiven Regelung nun geplant, zusätzliche Behindertenparkplätze zu schaffen? Das wäre ja die logische Folge, wenn das Parkieren ausserhalb von Behindertenparkplätzen nicht erlaubt ist und es praktisch keine Behindertenparkplätze gibt.
- Gehbehinderte mit „regelmässiger Verrichtung in der Kernzone“ müssen nach §3 Abs. 2 Bst. c der Verordnung eine Dauerbewilligung beantragen. Es bleibt unklar, ab wann eine regelmässige Verrichtung angenommen wird, ob die Bewilligung in jedem Fall ausgestellt wird, und ob man dabei ebenfalls zwingend auf einem Behindertenparkplatz parkieren muss. Das Letztere kann nach §3 Abs. 4 wohl verneint werden.
- Wie ist die Situation für Behindertentransporter von Heimen oder Behindertentaxis? Wer gilt dabei als „Taxifahrzeug“, das nach §2 Bst. c von der Bewilligungspflicht ausgenommen ist, und wer als „private Organisation im Bereich des Gesundheitswesens mit regelmässiger Verichtung in der Kernzone“, die eine Dauerbewilligung nach § 3 Abs. 3 Bst. a beantragen und dafür 100 Franken bezahlen muss? Darf, wer als private Organisation im Gesundheitswesen gilt, die Kernzone aber nur unregelmässig befahren will, dies auch ohne Bewilligung tun?
Die angeschriebenen Behördenmitglieder verzichteten auf eine persönliche Beantwortung und leiteten meine Anfrage an die Motorfahrzeugkontrolle Basel-Stadt weiter. Dessen Leiter Verkehrszulassungen versprach mir zwar am 14. Januar 2014 eine Antwort, blieb diese aber bis heute schuldig. Der erneut angefragte Leiter Abteilung Verkehr der Stadt Basel, Bernhard Frey Jäggi, antwortet: „Diese juristischen Abklärungen sind im Gang. Sie erhalten die Antwort in den kommenden Tagen.“ Damit steht für mich fest: Niemand hat sich im Vorfeld detaillierte Gedanken zur Situation und den Bedürfnissen von Menschen mit einer Gehbehinderung gemacht. Sonst hätten die Verkehrsplaner die aufgeworfenen Fragen bereits untereinander diskutiert – das wäre eigentlich noch vor dem Gesetzgebungsprozess mit dem Verfassen der Verordnung nötig gewesen – und es wäre jetzt einfach und in kürzester Zeit möglich gewesen, die gestellten Fragen zu beantworten.
In seiner Antwort schreibt Herr Frey Jäggi, dass der Grosse Rat eine motorfahrzeugfreie Kernzone der Innenstadt will. „Deshalb werden auch behinderte Personen Einschränkungen in Kauf nehmen müssen.“ Diese Einstellung ist höchst bedenklich. Denn Menschen mit einer Behinderung – sei es bezogen auf die Mobilität oder sonst wie – haben bereits mehr als genug Einschränkungen. Überall in der Schweiz und auf der Welt versucht man, ihnen zusätzliche künstliche Hindernisse so weit wie möglich aus dem Weg zu räumen. Nur Basel bewegt sich in die Gegenrichtung.
Als Privatperson kann ich mir mehr erlauben, Dienstwege nicht einzuhalten und ohne Blatt vor dem Mund Missstände anzuprangern. Dank der Öffentlichkeit des Internets bzw. meines Rollstuhlblogs bringe ich Behörden, Veranstalter, Kaufhäuser und weitere Anbieter und Dienstleister eher dazu, Barrieren und Hindernisse für Personen mit einer Gehbehinderung zu beseitigen. Der Zweck heiligt – so finde ich zumindest – die Mittel. Daneben empfehle ich aber auch gute Ausflugsziele, Angebote etc. weiter, die sich für Rollstuhlfahrer eignen.
Update: Der Zeitungsartikel ist nun auch auf bazonline.ch zu finden: Link zum Zeitungsartikel
Basler Verkehrskonzept sistiert
Aufgrund der massiven Kritik am neuen Verkehrskonzept und dagegen eingereichter parlamentarischer Vorstösse hat die Basler Regierung am 4. Februar 2014 beschlossen, mit der Umsetzung zuzuwarten. Ob sich an der Regelung für Gehbehinderte etwas ändern wird, ist unklar.
Ich bilde mir ein, ebenfalls etwas für die Neubeurteilung des Verkehrskonzepts Innenstadt beigetragen zu haben, und hoffe auf eine praxisorientiertere Lösung, welche die Bedürfnisse von Menschen mit einer Gehbehinderung wirklich berücksichtigt. Vielen Dank an alle, die dazu beitragen.
Man kann soo viel Lernen, wen man nur will. Liebe Regierung Basel, schaut mal kurz über die Grenze Lörrach, Weil, Freiburg etc. Dort haben Rolli Autofahrer ausdrücklich erlaubniss zu den Behinderten Parkplätze zu gelangen, wärend es in Basel zwei sind, sind dort min. 8-10 und so das die erschwerter ausstieg Trotoirseite wegfällt. Ich kann die Parkplätze in Basel nicht benützen, da ich Trotoirseite nicht aussteigen kann (Randstein und erhöhung und Spalt), was für ein Blödsin. So muss ich wohl oder übel Parkverbotszonen benützen.