Im Rollstuhl ins Passbüro Bern: Fehlkonstruktion Fotokabine

Es ist mal wieder soweit: Pass und Identitätskarte haben ihr Ablaufdatum erreicht. In den letzten zehn Jahren hat sich im Passbüro vieles verändert. Im Kanton Bern gibt nur noch sieben Ausweiszentren. Für uns ist das in der Stadt Bern zuständig. Wir füllen alles Nötige im Internet aus (www.schweizerpass.ch) und vereinbaren ebenfalls online einen Termin. Das ist schon mal sehr praktisch.

Am besagten Termin treffen wir pünktlich an der Laupenstrasse 18a in Bahnhofsnähe ein. Der Zugang für Rollstuhlfahrer und mit Kinderwagen ist gut augeschildert. Mit dem Aussenlift fahren wir in den zweiten Stock. Für die elektrische Türe zum Empfang muss man klingeln und warten, aber immerhin. Die Schalter befinden sich einen halben Stock weiter unten. Auch dafür gibt’s wieder einen Lift.

Neben jedem der rund zehn Schaltern gibt es eine Fotokabine. „Können Sie auf den Sitz umsitzen?“, fragt die Beamte. Das wäre mit Hilfe eigentlich kein Problem, aber die Sitzfläche ist unglaublich lang, geschätzte 80 cm, und es gibt keine Rückenlehne. So geht’s nicht. Aber der Sitz sei ein Multitalent und könne weggeklappt werden. Beim Umbauen wird auch klar, wieso die Sitzfläche so lang ist: Das ganze Konstrukt kann um 180° gedreht werden und ist dann eine Baby-Liege mit Geländer links und rechts. Mit der zweiten Kamera in der Decke können hier auch Passfotos für Baby-Pässe geschossen werden.

In der dritten Einstellung können die Geländer ein- und die Sitz-/Liegefläche umgeklappt werden, so dass ein Rollstuhl bequem in der Kabine Platz findet. Das sieht dann so aus:

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So weit so gut. Zuerst am Bildschirm die persönlichen Daten für den Pass kontrollieren. Stimmt alles. Dann werden die Fingerabdrücke der Zeigefinger an einem Scanner eingelesen. Das ist schon schwieriger, denn der Scanner ist sehr weit weg. Das wäre viel praktischer, wenn dieser an einem Kabel nähergezogen werden könnte. Dann ist das Foto an der Reihe. Die Kamera senkt sich dank Motörchen bis auf die gewünschte Höhe.

„Können Sie nicht noch ein bisschen höher kommen?“, fragt die Beamte. Öh, nein. Natürlich nicht. Denn: „Hinter Ihnen ist die Rückenlehne sichtbar.“ Das verwundert. Denn die schmale Rückenlehne des Rollstuhls kann’s kaum sein. Tatsächlich ist es das Sitzkonstrukt, dessen obere Kante im Bild ist, aber scheinbar nicht sein darf. „Können Sie vielleicht die Schultern hochziehen und Ihre Haare über die Schultern ausbreiten, um die ‚Rückenlehne‘ zu verdecken?“

Wie bitte??? Es hört sich wirklich so an, als würde der Rollstuhlfahrer für die Fehlkonstruktion der Fotokabine verantwortlich gemacht und müsse sich nun drehen und winden und völlig unnatürlich dasitzen, nur weil Rollstuhlfahrer bei der Planung der Kabine ganz offensichtlich vergessen wurden. Sie sitzen im Rollstuhl ein wenig tiefer als auf dem nicht höhenverstellbaren Sitz. Das Foto wird dann auch wirklich nicht gut. Und das nicht nur, weil man nicht die Zähne zeigen und so wenig lächeln wie möglich darf. Bis das Vögelchen kommt, ist man so genervt vom Ganzen, dass das auch auf dem Bild so rüberkommt. Wie läuft das eigentlich bei Kindern? Auch sie sind nicht gross (oder breit) genug, um die Sitz-Rückwand abzudecken.

Dass die Kabine ein Alleskönner sein will und dann doch nicht alles kann und ausgerechnet Menschen mit einer Gehbehinderung diskriminiert, ist traurig, überrascht aber nicht. Die Behörden hätten besser ein paar wenige Kabinen nur für Babys gemacht, ein paar wenige für Rollstuhlfahrer, vielleicht sogar mit einem elektrisch höhenverstellbaren Boden, und die restlichen Kabinen für die übrige Bevölkerung. Aber die Behörden haben halt lieber eine komplizierte statt eine brauchbare Lösung.

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